Zerrbilder 

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„Mass und Mitte kennt Deutschland in diesen Tagen nicht. Auf das Hochgefühl der ‚Willkommenskultur‘ folgt die Verzweiflung über den Aufstieg der AfD. Es geht von einem Extrem ins andere, (…)“ 

So der Leitartikel des Chefredaktors der NZZ Eric Gujer unter dem Titel “ Die Deutschen machen einem Angst“ (3, Februar, Seite 1). Welche Deutschen meint er jetzt? Tatsächlich die, die in den letzten Wochen in grosser Zahl, zum Teil mussten sogar Demonstrationen wegen Überfüllung abgebrochen werden, friedlich, bunt und generationenübergreifend, zum Teil zum ersten Mal mit zahlreichen eigenen Transparenten und Bannern, in Potsdam auch in bunten Schals des Bündnisses ‚Potsdam bekennt Farbe‘, das es seit 2002 gibt, auf die Straße und die Plätze gegangen sind.

Vieles macht einem gegenwärtig Angst, zu viel auf einmal, aber doch nicht diese demokratische Menge, die wach und aufmerksam auf die Rechtsentwicklung der stärksten Oppositionspartei in allen drei Landtagen in Ostdeutschland, bei denen in diesem Jahr wieder Landtagswahlen anstehen. 

Dazu kommen die Europawahl am 9.Juni und die Kommunalwahlen, die diese Bundesländer buchstäblich von Grund auf politisch verändern können. Es sind keine Wahlen zweiter Klasse. Sie nötigen vielmehr dazu, wieder einmal intensiv und extensiv mit- und gegeneinander darüber zu sprechen, zu rechten und zu schimpfen, was in Europa und den Kommunen los ist. 

Es geht um die gemeinsame konkrete Wahrnehmung und Lösung von Problemen. Dabei haben sich die Formate der Bürgerdialoge gegenüber früheren Wahlen ausgeweitet, und die Informationen über die verschiedenen Positionen verbessert (Wahl-O-Mat). 

Wenn die Demonstrationen bewirken, dass dafür wieder ein handlungswirksames Bewusstsein entsteht und zugleich deutlich wird, dass die wichtigste Bürgerbeteiligung neben aller Bürgerbeteiligung einer vielfältigen Demokratie der Bürger und Bürgerinnen, die in den letzten 15 Jahren, vor allem kommunal entstanden ist, das Wählen bleibt, dann ist viel erreicht.

Die symbolische ‚Umarmung‘ des Brandenburger Landtages durch eine Menschenkette am 3. Februar auf dem alten Markt in Potsdam galt der „Herzkammer der Demokratie“. 

An der Spitze des Bündnisses steht der direkt gewählte Oberbürgermeister der Stadt, zahlreiche Organisationen und Vereine sind Mitglieder des parteienübergreifenden Zusammenschlusses, dass seit mehr als 20 Jahren immer wieder, durchaus wirkungsvoll, sich gegen Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, Gewalt und Rechtsextremismus bemerkbar gemacht hat. 

Die bunten Schals müssen nachgedruckt werden, das ist mehr als ein gutes Zeichen. Vor diesen Deutschen muss man keine Angst haben, auch wenn man nicht alle ihre Argumente teilt. 

Auch die Flüchtlingshilfe nach 2015 und die Integrationsarbeit gehören im weitesten Sinne zu dieser verbesserten politischen Kultur dazu.

Die „Willkommenskultur“ hat sich seitdem problembewusst veralltäglicht und kämpft solidarisch mit der zusätzlichen Aufnahme von einer Million Ukrainern mit Problemen der Unterbringung, in Behörden, Schulen und Kitas. An manchen Orten an der Grenze des Erträglichen und Zumutbaren. 

Über “ die Deutschen“ war schon oft die Rede, es gibt unzählige Buchtitel, gute und schlechte, vielgelesene und selten gelesene, wie zum Beispiel die lohnende Analyse von Norbert Elias, den ich deshalb hier erwähne (Studien über die Deutschen, Ffm. 1989). Sie verhilft zu einem entspannteren Verhältnis zu historisch-politischen Grundbegriffen wie Nation, Staat und Nationalismus. 

Sie vermeidet Kurzschlüsse von Nationalismus auf Nationalsozialismus, auf die sich besonders kritische Intellektuelle immer noch etwas einbilden, und sie lehrt viel über längerfristige Zivilisationsprozesse und Zivilisationszusammenbrüche, bei denen die spezifischen Staatsgesellschaften (auch heute) eine maßgebliche Rolle spielen. 

Auch ‚Nation‘ ist im Deutschen ein Unwort geworden so wie ‚konservativ‘ ein Schimpfwort. Dabei ist die Zivilisierung der Nation und die Humanisierung des Staates eine Daueraufgabe genauso wie die Demokratisierung der Demokratie und der Anstand der Anständigen, der immer wieder herausgefordert wird.

Bei einem Leitartikel in einer internationalen Zeitung, die gerade von Eliten in Deutschland gerne gelesen wird, geht es freilich um pointierte Wirksamkeit und nicht um distanziert kühle Analyse oder, weniger theoretisch, um empirische Feldforschung. Gujers „Die Angst vor den Deutschen“ schiesst mit der Schrotflinte aus der Hüfte, einige Kügelchen treffen, andere nicht, sie schiessen über das Ziel hinaus. Die Darstellung der meisten Demonstrationen und Demonstranten, die den Nationalsozialismus vor der Türe sehen, ist eine Karikatur. 

Die Protestkultur hat sich enorm differenziert und vervielfältigt. Sie lässt sich nicht mehr so einfach etikettieren und ideologisch einordnen oder vereinnahmen, auch durch Parteien und die Regierung nicht, die sich hinter der ‚Brandmauer‘ der Bürger versteckt. Ein Grossteil des Erfogs der AfD wird vielmehr einer erfolglosen Regierung und den demokratischen Parteien selbst angelastet, die ihre Hausaufgaben nicht machen, so der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Reiner Haseloff. 

Den Deutschen wird gerne, nicht nur von Gujer, ein Hang zu den Extremen und zum Grundsätzlichen unterstellt. Schätzt man die gegenwärtigen Entwicklungen im internationalen Umfeld von Deutschland 2024 eher pessimistisch ein: ein möglicher Krieg gegen die Nato, die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr, 

der Ausgang der amerikanischen Wahlen, die strategische Partnerschaft von Russland und China, die Bedrohung des demokratischen Taiwans, die Ausweitung des Nahost-Konflikts…kann man mit Fug und Recht sagen: darauf kann man sich gar nicht vorbereiten und schon gar nicht binnen eines Jahres. 5 bis 8 Jahre sind auch nicht viel, wie Experten mutmassen. 

Und unwillkürlich kommt man zum Schluss: und schon gar nicht die „hysterischen Deutschen“! 

Das erinnert an einen anderen Buchtitel über die Deutschen: „Die deutsche Hysterie“ des ungarischen Historikers Istvan Bibo, das zwischen 1942 und 1944 geschrieben worden ist. 

Sind wir (das ‚Wir‘ ist kompliziert!) wieder „Schlafwandler“ oder „Hysteriker“, wenn es darum geht, die Verteidigung der Demokratien auf eine russische Bedrohung einzustellen.

Vorsicht oder Panikmache? Die Anspielung „Schlafwandler“ bezieht sich wiederum auf ein anderes Buch, welches die historische Analogie nährt: nämlich, wie Europa in den Ersten Weltkrieg geschlittert ist, von Christopher Clark 2012. 

Kann sich Europa heute verteidigen ohne die Amerikaner oder gilt „ami go home“ wie in der Friedensbewegung der 80er Jahre, von Oskar Lafontaine 2024 beim Gründungsparteitag der BSW in Berlin wiederholt. Dort ist die EU auch ein „Vasall der USA“. 

Muss beispielsweise auf einen Vorschlag des Verteidigungsministers, die Wehrpflicht nach schwedischem Modell – selbst in der Sozialdemokratie oder gerade dort! – gleich mit vorschneller unsachlicher Polemik aus der Mottenkiste reagiert werden. Wie kommt man so noch zu einem notwendigen politischen Konsens auf dem Weg der schnellen historischen Mentalitätsprägungen zwischen „Pazifismus“ und „nuklearer Abschreckung“ (die zum Beispiel der ehemalige grüne Aussenminister Fischer für Europa fordert). 

Oder kann Deutschland – wie zahlreiche Stellungnahmen von deutschen Intellektuellen zum Ukraine-Krieg aufgezeigt haben – beides nicht: Pazifismus der sozialen Verteidigung und Verteidigungskrieg. Das ist zu vermuten. Kann so eine schwerwiegende Frage überhaupt noch diskutiert und demokratisch entschieden werden? Oder sind dafür die Menschen, aus verständlichen Gründen zu aufgewühlt und ängstlich? Und die Politiker zu unpolitisch, und die Parteien unfähig? 

Gujer psychologisiert ‚die Deutschen‘ zu sehr, indem er mehrmals von ihrem „manisch-depressiven Grundzug“ spricht: sie sind zugleich romantisch, idealistisch und schwärmerisch, bleiben aber unpolitisch, was letztlich auf die Substitution von Politik durch Moral zurückzuführen ist, die schon der Philosoph und Soziologe Hellmuth Plessner analysiert hat (siehe Die verspätete Nation, Zürich 1935 ). 

Sie meinen den Aufstieg der AfD und den Rechtspopulismus, der sich kurz vor der Machtergreifung 1933 befindet, durch Demonstrationen stoppen zu können. Der Philosoph Odo Marquard hat das einmal in Bezug auf den inflationären Antifaschismus der 68er Studenten „nachträglichen Ungehorsam“ genannt. Der neue (zivile) Ungehorsam seit den 80er Jahren ist wieder etwas anderes. 

Statt zu psychologisieren, was dazu verleitet, lediglich die bekannten Klischees zu wiederholen, würde es auf theoretischer Ebene weiterführen, sich noch einmal kritisch mit der Literatur über politischen Moralismus, Hypermoral und die Überbelastung von Kommunikation zu beschäftigen. Dafür wäre wieder ein eigener thematischer Blog nötig.

Man kann aber schon konstatieren, dass Gesinnungsintensität mit der Schwächung von konkreter Urteilskraft einhergeht, die eine realistische, problemlösungsorientierte und entschlossene Politik benötigt. Demokratische Auseinandersetzungen, gerade mit unbequemen Gegnern, schult die eigene Urteilskkaft. Daran führt kein Weg vorbei.

Bei Gujer folgt sodann eine realistische Diagnose, die ich teile: “ Im Zuwachs der AfD manifestiert sich nicht die Schwäche der deutschen Demokratie, sondern eine gesamteuropäische Entwicklung Doch nur die Deutschen demonstrieren.“ Schlafwandeln die anderen in den Untergang ihrer Demokratien? Oder sind sie zugleich realistischer und gelassener, was die ideale Kombination für die politische Theorie wäre? 

Die Franzosen, die Dänen, die Briten, die Schweden, die Schweizer, obwohl sie genauso grosse Probleme mit der Integration haben und ihre Völker wie andere in der Migration ein zentrales Problem sehen. Sie sprechen aber nicht nur von Begrenzung der Zuwanderung, sie versuchen sie auch entschlossen und demokratisch umzusetzen, mit vielen heftigen Konflikten zwischen den wahren Patrioten.

Über die Modelle und Massnahmen kann man streiten, was zur Demokratie gehört, ebenso wie entscheidende politische Mehrheiten, um die man ringen muss – Diskurs und Dezision. Helmut Schmidt bezeichnete die Politik einmal als „Kampfsport“. Wenn man alle Kampfmittel der Demokratie kennt, hat man schon die halbe Politische Wissenschaft in der Demokratie.

Die Steuerung der willkommenen und gesuchten Einwanderung von Fachkräften ist wieder ein anderes Problem. Nach allzu langer Zeit und umständlichen Diskussionen in der Merkel-Zeit gibt es hier immerhin endlich mal Fortschritte. Die viel gescholtene Fortschrittskoalition hat in schwierigen Zeiten auch etwas erreicht. 

Durch die Demonstration der richtigen Gesinnung kann man den „populistischen Spuk“ jedoch nicht vertreiben, da hat Gujer recht. Zwischen ‚Populisten‘ und ‚Extremisten‘, die zum Bürgerkrieg anstiften, muss man unterscheiden können. Neue Extremismen sind hinzugekommen, zum Teil importiert, zum Teil hausgemacht. Die sensationellen Erfolge der AfD bei den Jugendwahlen 2021 in den ostdeutschen Bundesländern, wo jetzt gewählt wird, haben niemanden gekümmert. Es gab keine Schlagzeilen. Niemand ist der Sache in den neuen Medien nachgegangen. 

Die Rechtswendung der stärksten politischen Opposition durch den ‚Flügel‘ hat man unterschätzt. Dass Höcke jedoch die Herrschaft in Thüringen und damit in Deutschland übernehmen wird, ist eine groteske mediale Übertreibung. Statt Dämonisierung ist die inhaltliche Auseinandersetzung gefragt und die nötigen Kenntnisse dafür. 

Nicht zuletzt eigene gravierende Fehler bei der Migrations- und Sicherheispolitik haben dazu geführt, dass nun – vor allem die Regierungsparteien – weit zurückliegen. Argumentations-, Erkenntnis- und Handlungsdefizite im linksliberalen Lager haben es der AfD leicht gemacht. Themen und Probleme, welche viele Bürger besorgen, wurden aus Angst, Feigheit oder Bequemlichkeit gar nicht angesprochen, tabuisiert oder sogar unter scharfen politischen Verdacht gestellt. 

Man fürchtet ‚rechts‘ zu sein, auch wenn es richtig ist. Das ist falsch. Die Abgrenzung gegen rechtsextrem ist kaum mehr zu unterscheiden von der Abgrenzung gegen rechts. Das Unterscheidungs- und Wahrnehmungsvermögen trübt sich ein. Die konkreten Benennungen werden unpräzis, und die politische Kommunikation wird vollends moralisiert. Schweigen darf man nicht mehr., umso lauter dröhnt die Schweigespirale.

Die realen Probleme demokratischen Regierens geraten so aus dem Blick: Entweder wird der Regierung alles angelastet, auch der Aufstieg der AfD, oder andersherum alles von der Politik erwartet, womit real Koalitionsregierungen und Staat gemeint sind, oder man erwartet gar nichts mehr von Staat und Politik. Das scheinen die grossen politischen Lager von heute zu sein. Was daraus in den nächsten zehn Jahren wird, weiss niemand. 

Wie rational sind demgegenübr die Italiener: sie wählen einfach diejenigen, die am lautesten schreien und behaupten, die Probleme lösen zu können. Wenn sich dann zeigt, dass sie auch nur mit Wasser kochen, wählen sie die nächste Regierung, dazwischen gibt es technokratische Kabinette, die verhindern, dass das Land nicht ganz an die Wand fährt. Das ist Gelassenheit und Lebenskunst in einem! Beneidenswert. 

Gerade jetzt vor wichtigen Wahlen auf verschiedenen Ebenen ruft man nach einem Parteiverbot der starken AfD. Was für ein Zeichen selbstbewusster Demokratie!? Und das von zahlreichen selbsternannten ‚Demokratierettern‘, die plötzlich unterwegs sind, die sich vorher nie um die Probleme der Kommunen gekümmert haben (auch eine Herzkammer der Demokratie), obwohl die Bürgermeister schon lange, parteiübergreifend, laut und deutlich Alarm schlagen. Sie sind nicht erhört worden. 

Und vor allem wie kontraproduktiv! Jeder Verfassungsrichter erklärt, dass allein schon einen gerichtsfesten Antrag für ein Parteiverbot zu stellen, ein Jahr benötigen würde, und das Verfahren selbst noch einmal ein zusätzliches Jahr. Dann wären wir schon bei den nächsten Bundestagswahlen 2025. Wenn wir uns zudem an die Begründung des obersten Gerichts erinnern beim gescheiterten Versuch im NPD-Verfahren, so ist die Aussicht auf Erfolg gering. 

Und wie würde das vergleichend im europäischen Umfeld aussehen, wo überall zumindest so radikale rechtspopulistische bis postfaschistische Parteien, zum Teil sogar in der Regierung sind. Meloni von den „Fratelli“ wurde gewählt, Italien steht noch. Von der Leyen und Meloni vestehen sich bestens, beide kochen auch nur mit Wasser.

Gujer wird an dieser Stelle zurecht polemisch: “ Warum nicht gleich Schutzhaft für das AfD-Präsidium?“ Gerade in diesem Jahr muss die AfD, die ein Popanz ist, von den Demokraten, den Bürgern und den Parteien politisch geschlagen werden. Dadurch kann die Demokratie selbst wachsen, indem sie zeigt, dass sie populistischen Argumenten, die in der Sache europapolitisch, wirtschaftlich, kommunal- und regionalpolitisch nichts bringen, ausser Hass und Hetze, Paroli bietet.

Die Demokratie braucht buchstäblich „keine Alternative“. Die regionale Wirtschaft, die dringend auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist, mobilisiert dagegen schon länger und wie nie zuvor: ‚Weltoffenes Sachsen‘, ‚Weltoffenes Thüringen‘. ‚ Brandenburg zeigt Haltung‘ zeugen davon. 

Auf einen intensiven und anstrengenden Wahlkampf muss man sich vorbereiten, dabei spielen Gespräche und Auseinandersetzungen und nicht Ausgrenzungen überall in der Gesellschaft eine wichtige Rolle und nicht nur die Köpfe auf den Wahlplakaten und das, was sich Werbeagenturen ausgedacht haben (siehe den Blog Wahlkampf um die demokratische Mitte, 1.Februar.) 

Eine weitere starke These von Gujer lautet, dass sich gerade zu Beginn des Jahres 2024 das Jahr 2015 unter umgekehrten Vorzeichen wiederhole, als Flüchtlingsströme im Münchner Bahnhof überschwänglich begrüsst wurden, gewissermassen der ‚Rausch‘ einer neuen Willkommenskultur. Heute spricht man allenthalben auch vom Kontrollverlust einer unkontrollierten Flüchtlingsaufnahme und einem migrantischen Sonderweg in Europa. 

Die einen fanden, das sei das Beste, was Kanzlerin Merkel gemacht habe, die anderen hassten sie dafür. Zum ersten Mal hörte man vor allem im Osten der Republik gehässige Sprechchöre „Merkel muss weg“ und sah die Galgen und die Bilder in Häftlingskleidern, eine gewalttätige Symbolik des Widerstandes, die während der Corona-Krise Februar 2020 bis April 2023 zunahm. 

Seitdem ist die öffentliche Diskussion zunehmend verroht, und die Extreme, die Verbindungen zur AfD aufweisen, haben zugenommen, nicht nur die Rechtsextremisten, die in ihren Umsturzphantasien die AfD als „parlamentarischen Arm des Widerstands“ sehen (Kubitschek), auch ‚Reichsbürger‘, Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker, Impfgegner, Identitäre (2012 in Frankreich gegründet) und eine Vielzahl neuer und unbekannter grundsätzlicher Gegner des Staates. Das muss man wahrnehmen und geistesgegenwärtig verfolgen – die Bürger als aktive Verfassungsschützer und nicht nur der Verfassungsschutz als Behörde. 

Nicht nur die revolutionären Rechten im Osten gingen mit neuen Bürgern auf die Strasse, auch die Querdenker aus dem Süden der Republik und die Impfgegner, zum Teil rabiat und einschüchternd bis vor die Privathäuser der verantwortlichen Politiker in Sachsen. Die Korrelation zwischen AfD-Hochburgen und Impfgegnern war hoch. Gauland und andere von der AfD sprachen offen von Corona-Diktatur, ein Grund mehr, “ Merkel zu jagen“ und immer grössere Distanz zu den °Altparteien“ aufzubauen. 

Die AfD wuchs und radikalisierte sich zusehends. Eine ‚Action allemande‘ wuchs als ernsthafte politische Kraft so auch in den Parlamenten heran, mit der man es jetzt unbequemerweise zu tun hat. Die Wählerschaft wurde inzwischen so gross, dass der Ehrgeiz von Friedrich Merz für die CDU und einer Sarah Wagenknecht mit ihrer Parteigründung einmal darin bestand, „die AfD zu halbieren“. 

In die Parteienlandschaft ist Bewegung gekommen. „Weimarer Verhältnisse“ sind es dennoch nicht. Die europäische Ausnahme war eher die bundesrepublikanische Ultra-Stabilität der zweieinhalb Parteien (CDU, SPD, FDP) und die 16 Jahre von Kohl und Merkel.

Bildnachweis: Agentur Medienlabor