Die geographische Nähe spielt eine existentielle Rolle, wenn wir die Welt beziehungsweise einen Ausschnitt davon wahrnehmen. Das ist auch legitim. Die Dringlichkeiten ordnen wir selber.
Für die Europäer waren die Jugoslawienkriege in den 90er Jahren mit der langen schmerzhaften Belagerung von Sarajewo – der multikulturellen Metropole, quasi dem Inbegriff von Europa – nahe, manchem politisch sogar besonders nahegegangen, weil der funktionierende Vielvölkerstaat aus der widerständigen Zeit des 2. Weltkrieges und als Modell eines ‚Selbstverwaltungssozialismus‘ großen politischen Kredit genoss bis hinein in programmatische Diskussionen der europäischen Sozialdemokratie.
Der allmähliche Zerfall dieser Illusionen seit den 80er Jahren nach Titos Tod zwang dazu, wieder genauer hinzusehen, die konfliktreiche Vielfalt der Regionen und Kulturen und mehr als nur die eigenen Vorurteile zur Kenntnis zu nehmen. Heute werden die Staaten, welche seit langem in die EU drängen, wieder sichtbarer: Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Albanien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina.