Krisenkommunikation auf höchster Ebene

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Die militärisch-politische Führung Russlands (Putin, Lawrow, Schoigu) will wieder zur friedlichen Koexistenz zurückkehren, wenn der Westen, insbesondere die USA aufhören, „Russland eine strategische Niederlage“ beibringen zu wollen. Man will eine ebenbürtige Rolle in der internationalen Politik einnehmen. Dabei spielt die strategische Partnerschaft mit China eine “ immer größere Rolle auch im militärischen Bereich“, so ausdrücklich Putin. Am 8. November empfängt er in Moskau Zhang Youxia, den zweithöchsten Befehlshaber nach Xi.

Der gegenseitige Austausch hoher Militärs zwischen Moskau und Peking hat zugenommen, ebenso wie sich der Kontakt mit Nordkorea intensiviert hat, dessen Schutzmacht China ist. Diese Achse richtet sich gegen die ‚unipolare‘ Weltordnung unter Führung der USA., die gleichzeitig im indopazifischen Raum, in Europa und im Nahen Osten wieder als Supermacht herausgefordert wird. Sie hat nun mit vier Atommächten als Antagonisten zu tun.

Am 9. November warnte Außenminister Blinken in Seoul bei einem Treffen mit seinem südkoreanischen Kollegen Park Jin Russland vor dem Technologietransfer nach Nordkorea, der gegen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verstoßen würde. Das amerikanische Allianzsystem in Ostasien aus Japan, den Philippinen, Südkorea und Thailand ist noch keine Nato. Australien versucht zu vermitteln. Vieles ist im Gange, von dem wir nichts wissen.

China hält Russland den Rücken frei im Ukraine-Krieg, bei dem gerade jetzt der Westen militärisch entscheidend noch einmal gefordert wäre, wenn die Ukraine den Krieg tatsächlich gewinnen soll. Die F16- Kampfjets rücken näher ans Kampfgebiet. Aber auch beim zweiten Krieg im Nahen Osten steht China auf der anderen, der antiisraelischen Seite.

Die USA wiederum muss aufpassen, dass es im Mehrfrontenkrieg dort einen Flächenbrand verhindern kann. Ein dritter Krieg im indopazifischen Raum, ausgelöst durch einen Angriff Chinas auf das demokratische Taiwan, das die USA militärisch zu beschützen versprochen hat, muss unbedingt verhindert werden – im Interesse des Weltfriedens.

Insofern ist es keine Übertreibung zu sagen, dass es am Mittwoch , dem15. November, zur wichtigsten Begegnung für den Weltfrieden kommt, wenn in San Francisco am Rande des asiatisch-pazifischen Apec-Gipfels Biden und Xi Jinping miteinander sprechen (siehe: „Wir müssen reden“, Matthias Nass, in: Die Zeit, 9. November, S.8). 

Es ist beiden Seiten inzwischen bewusst, wie gefährlich der Konflikt zwischen ihnen geworden ist. Es ist der zivilisatorische Konflikt der Zukunft und für die Zukunft, ähnlich bedeutsam wie der kalte ( Weltanschauung-) Krieg zwischen der Sowjetunion und den USA einer war, nur in einer ganz anderen, komplexeren und dynamischen Welt, die nicht so statisch ist, wie es physikalische Kategorien der Polarität gerne konzeptualisieren (siehe Heiduk/Thimm, NZZ 8. November, S.15).

Kein Wunder, dass China den USA vorwirft, in einer „Mentalität wie im Kalten Krieg“ zu stecken und den Aufstieg Chinas durch Eindämmung (George F. Kennan 1946/47) verhindern zu wollen. Umgekehrt sind sich die Demokraten und die Republikaner ausnahmsweise darin völlig einig, “ tough on China“ zu sein. Für den Ausschussvorsitzenden Mike Gallagher handelt es sich um einen „existentiellen Kampf“, bei dem die „fundamentalsten Freiheiten“ auf dem Spiel stehen (Die Zeit, a.a.O.).

Matthias Nass zählt fünf Konfliktpunkte auf:

1. machtpolitisches Ringen um die Vorherrschaft im indopazifischen Raum

2. wirtschaftlich-technologische Konkurrenz

3. Wettrüsten, nun auch bei den Atomwaffen

4. Systemwettbewerb Demokratie vs. Autokratie/Diktatur

5. Kampf um die neue Weltordnung


In Gang gekommen sind die Gespräche zwischen China und den USA wieder – seit dem letzten Treffen Biden/Xi auf dem G20-Gipfel auf Bali im November 2022 – durch das Thema Rüstungskontrolle. Vor allem bei den Atomwaffen sollten wieder Verhandlungen in Gang kommen, was besonders schwierig ist beim Dreieck der Atommächte Russland/China/USA (siehe den Blog Der globale Krieg, 8. November). 

China, das schnell und konsequent aufrüstet, lässt sich hier als „Entwicklungsland“ nichts vorschreiben. Die USA muss zudem auf den mäßigenden Einfluss Chinas gegenüber Russland setzen. Und den dritten Krieg für das demokratische Taiwan gilt es zu verhindern, denn einen Vielfrontenkrieg kann auch die USA nicht gewinnen.

Zuerst wird es in San Francisco deshalb um Taiwan gehen. Bislang sind hier Kompromisse ausgeschlossen. Das große China reagiert wie schon im Falle von Tibet allergisch auf jeden kleinsten abweichenden Schritt als Majestätsbeleidigung. Schon der Besuch amerikanischer Politiker auf der Insel sorgte für große Aufregung, so wie zuvor und immer noch jedes Tibetfähnchen.

In Taiwan sind im Januar 2024 Wahlen, und China versucht das Land mit Manövern von Kriegsschiffen, Kampfjets und Landungstruppen einzuschüchtern und zugunsten der chinafreundlichen Kuomintang zu stimmen. In Führung liegt gegenwärtig die regierende Demokratische Fortschrittspartei (DPP), welche die demokratische Eigenständigkeit der Insel, militärisch gerüstet, verteidigen wird.

Man würde gerne wissen, wie das Treffen in San Francisco, von dem man erst seit kurzem weiß, vorbereitet wird. Angebahnt wurde es schon lange, unter anderen vom Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan und dem chinesischen Außenminister Wang Yi. Was wird im Vorfeld von den Mitarbeitern besprochen und geklärt, welche Themen und Analysen stehen im Vordergrund, welche Think Tanks geben den Ton an, wie lauten die Vorschläge für das weitere Vorgehen usw.? 

Welches Skript wird schließlich den Präsidenten mitgegeben? Wer kommt nach Xi? Vielleicht ist ein neuer Gorbatschow in der Delegation? Wichtig ist jedoch erstmal, dass überhaupt wieder Gespräche auf verschiedenen Ebenen beginnen, und wohl eine Art Krisenmechanismus eingerichtet wird, damit wenigstens bei den permanenten Militärmanövern keine Missverständnisse entstehen. Ist das mehr als eine Beruhigungspille?

Das Gewicht der Ideologien und Strategien im Hintergrund darf man nicht unterschätzen. Sein und Sollen gehen weit auseinander. Natürlich sollte Biden Xi davon abbringen, Russland, Iran und die Hamas zu unterstützen. Das wird der alte Mann nicht können. Es ist jedoch in Xis wohlerwogenem Eigeninteresse, mit den USA einen Ausgleich zu finden und möglicherweise vertraglich abzusichern.

Denn der nächste Präsident könnte schon bald der mehrfach vorbestrafte Trump heißen, wofür Russland, das von Ressentiments getrieben wird, alles tut. Die Wahlbeeinflussung war schon einmal erfolgreich. Biden sagte im Wahlkampf Putins Tyrannei unmissverständlich den Kampf an. Die Außenpolitik Chinas ist demgegenüber geschmeidig, nach außen hin freundlich und ideologisch intransigent zugleich. Das große Land verfolgt selbstbewusst und zielsicher seine Weltmachtambitionen.

Trump würde auf Konfrontation gehen. Vielleicht denkt Xi aber auch jetzt schon, dass Konfrontation unumgänglich ist. Man würde gerne in die Köpfe schauen.

Bildnachweis: Imago / Xinhua