Trump wirkt, auch wenn er noch nicht Präsident ist, nicht einmal Kandidat seiner Partei, nur Haley hält noch dagegen.
Seine jüngsten Äußerungen aus dem Wahlkampf über die Nato haben in Europa einen Schock ausgelöst, bis hin zur vorschnellen Diskussion über eigene Atombomben. Verteidigungsminister Pistorius hat das treffend eine „Eskalation der Diskussion“ genannt.
Am Rande einer Nato-Tagung der Verteidigungsminister Mitte Februar in Brüssel äußerte er sich so, in der erstmals seit mehr als 30 Jahren auch Deutschland das verabredete 2%-Ziel dank des Sondervermögens für die Bundeswehr eingehalten hat, was finanziell jedoch nicht lange vorhalten wird.
Generalsekretär Stoltenberg zeigte sich zufrieden, dass 18 von 31 Mitgliedern dieses Ziel erreicht haben. Es ist ein Rekord, bei dem sich die Ausgaben für die Verteidigung in Europa deutlich erhöht haben. Unter anderen Spanien, Türkei und Belgien sind ihren Verpflichtungen bisher noch nicht genügend nachgekommen.
Die europäische Verteidigung insgesamt hat dennoch Fahrt aufgenommen, notwendige nationale Hausaufgaben werden gemacht. Das ist Pistorius abzunehmen, bei allen Schwierigkeiten, die es gibt: beim Personal, dem Beschaffungswesen, der Rüstungsproduktion und dem Zivilschutz. Man ist zumindest auf dem Weg zur eigenen Verteidigungsfähigkeit, so wie – vorbildhaft – Polen und die skandinavischen Länder (siehe auch den Blog Verteidigung als Vorbereitung des Krieges vom 8. Februar 2024).
In dieser Phase der Stärkung konventioneller Abschreckung kommt eine Diskussion über eine eigene europäische Atombewaffnung, die komplex und unrealistisch ist, zur Unzeit. Für Pistorius richtigerweise genauso wie für Stoltenberg, für den sich die nukleare Abschreckung der USA im Verbund mit GB und Frankreich bewährt hat.
Dabei geht es um strategische Atomwaffen und nicht um taktische, über die beide europäischen Länder nicht verfügen. Die unüberlegte Forderung nach eigenen Atomwaffen, von einem Staatenverbund, der kein Bundesstaat ist und keine eigene Armee hat, über die schon 1952 diskutiert worden ist, würde zudem die USA aus Europa vertreiben, die ideell und militärisch unverzichtbar bleiben. Es handelt sich um eine von vielen Gespensterdebatten, eine „überflüssige Eskalation“ (Pistorius).
Der Bündnisfall, die unbedingte Solidarität, galt erstmals 9/11, dem Terrorangriff auf die USA. Daraus ist „enduring freedom“ geworden, worum es weiterhin geht: Freiheit und Demokratie im transatlantischen Bündnis.
Die Bündnisverpflichtung infrage zu stellen, wie Trump es getan hat, ist „unverantwortlich und gefährlich“ (Scholz). Noch deutlicher wurde Präsident Biden am 13. und 14. Februar, indem er von einer „heiligen Verpflichtung“ sprach wie schon bei seiner Polenreise 2022 (siehe den Blog Biden in Polen und die „heilige Verpflichtung“ vom 27. März 2022). Darauf ist Verlass. Trump dagegen sieht die Allianz als Last und Mittel für Schutzgeldforderungen – ein Deal unter vielen, wie wir hinzufügen. Politische Überzeugungen sind etwas anderes.
Die starke Ansprache Bidens auf wackligen Beinen war auch eine gegen die Blockade der Ukraine-Hilfen durch die Republikaner im Repräsentantenhaus. Biden nannte dieses Verhalten „dumm, gefährlich, beschämend und unamerikanisch.“ Trump wiederum punktet damit gezielt bei seinen Wählern. Auch der Isolationismus und „America first“ hat Tradition in Amerika.
Tatsache ist, dass schon der ‚gute‘ Präsident Obama und nicht erst der ‚gefährlich-dumme‘ Trump darauf hinwies, dass die Europäer mehr für ihre eigene Verteidigung tun müssen. Der Angriff von Putins Russland auf die Ukraine zwingt nun verspätet dazu, erstens für die Unterstützung des ukrainischen Befreiungskampfes, dem die Munition ausgeht, und zweitens für die eigene Sicherheit vor der russischen Bedrohung, sich endlich dieser „ungeliebten Priorität “ (siehe Blog vom 2. Januar 2024) beschleunigt zu widmen.
Der Nato-Beitritt von Finnland und Schweden waren eine Konsequenz daraus, die das Scheitern von Putins strategischen Plänen dokumentierten. Er hat die Nato, die er schwächen wollte, gestärkt. Die gescheiterte „Spezialoperation“ gegen die Ukraine musste verlängert werden und hat sich zu einem flächendeckend zerstörerischen Krieg verstetigt, der auch Russland die Zukunft raubt. Ein Russland, welches auseinanderfällt, wäre wirklich gefährlich. Wir wissen, nachdem alle Kontakte abgebrochen sind, wenig, viel zu wenig: Moskau ist nicht Russland.
Russland sieht sich inzwischen im Krieg gegen den Westen (Peskow, 15.2.). Wehrfähige Demokratien indessen, die in Übung bleiben, sind konventionell stärker als die russische Armee, die Kiew nicht einnehmen konnte. Das weiß auch Putin. Nur bei den Atomwaffen ist Russland auf Augenhöhe mit den USA. Man darf gespannt sein auf die Rede zur Lage der Nation Ende Februar, wo er sich bestimmt auch zu Waffenentwicklungen äußern wird.
Panikmache jedoch dient keiner Verteidigung, die eine seriöse und dauerhafte Aufgabe bleibt. Dennoch sind insbesondere die Warnungen von Finnland und der baltischen Staaten unmittelbar zu beachten. Sie haben Erfahrungen mit ihren langen und schwierigen Grenzen mit Russland und sind einer hybriden Kriegsführung ausgesetzt. Finnlands Grenzen sind weiterhin geschlossen und in der Nähe der Grenzübergänge werden Zäune errichtet.
Die estnische Premierministerin Katja Kallas ist die erste ausländische Regierungschefin, welche Russland zur Fahndung ausgeschrieben hat. Die drei baltischen Staaten steuern bei den Verteidigungsausgaben ein 3%-Ziel der Nato an. Sie drängen darauf, den Angreifer sofort zurückschlagen zu können, eine Schnelligkeit, die gerade das Manöver „Steadfast Defender“ übt.
Seit 2017 gibt es zudem die Nato-Mission „Enhanced Forward Presence „. Der Luftraum wird ebenso mangels einer eigenen Luftwaffe von der Nato Tag und Nacht überwacht, und eine einsatzfähige deutsche Litauen-Brigade soll bald dazukommen. Das ist aber den drei wehrfähigen baltischen Staaten noch nicht genug gegen eine erwartete „Massenarmee sowjetischen Typs“.
Sie wollen deshalb gemeinsam eine Verteidigungslinie nach dem Vorbild der Surowikin-Linie in der Südostukraine mit Bunkern, Panzersperren und Minenfeldern ausbauen (siehe: Die Welt, 15. Februar 2024, S.6). Daran ist die ukrainische Gegenoffensive im Sommer gescheitert, weil Russland genug Zeit hatte, „seine Volksrepubliken“ zu schützen.
Es ist alles eine Frage der Zeit, und in der Politik geht es um Entscheidungen, die nicht immer genug gut vorbereitet werden können. Reflexion und Handlung sind zwei Ebenen. Die baltischen Staaten wiederum haben kein Gegenmittel zu den russischen Iskander-Raketen mit 500 Kilometer Reichweite, die in der hochmilitarisierten Exklave Kaliningrad stationiert sind. Sie reichen bis vor Berlin.
Darüber hinaus existiert die Befürchtung, dass Russland die sogenannte Suwalki-Lücke zwischen Kaliningrad und Belarus schließen könnte, was die einzige Landverbindung zwischen Litauen und Polen ist. Bei allen teuren neuen Waffen, welche die kleinen Länder bestellen, darunter die wirkungsmächtigen amerikanischen ‚Himars‘ und ‚Atacms‘, am Ende hängt alles davon ab, wie schnell die Nato zusätzliche Kräfte ins Baltikum verlegen kann und was die USA tun (Die Welt, a.a.O.).
Eskalation gibt es nicht nur im Krieg, wo gegenwärtig Russland im Ukraine-Krieg täglich eskaliert: mit Personal, Munition und Technologien, ohne Rücksicht auf Verluste. Es gibt sie auch, wie im Titel angesprochen, in der täglichen Kommunikation, die moralisch und politisch überbelastet ist. Auch Diskussionen können eskalieren. Das ist leider schon längst passiert.
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