Das transatlantische Bündnis ist gestärkt

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Der 24. März ist ein historischer Tag. Der amerikanische Präsident Biden besucht erstmals drei Gipfel in Brüssel: Nato, EU und G7. Die USA übernimmt wieder die politische Führungsrolle des Westens, nachdem es zuvor andere Prioritäten hatte. Biden und Stoltenberg treffen sich zuerst. Die NATO verstärkt ihre Ostflanke und will so Russland „abschrecken“ mit Battlegroups auf NATO-Gebiet.

Heutzutage ist inflationär von Zeichen setzen die Rede. Natürlich ist die Anwesenheit des amerikanischen Präsidenten ein starkes Symbol, insbesondere der Besuch Polens, nahe an der ukrainischen Grenze. Es geht indessen um weit mehr als um symbolische Handlungen. Die amerikanischen NATO-Truppen in Europa werden massiv verstärkt, und Biden spricht vom möglichen Einsatz von Chemiewaffen als „real threat“. Geübt wird fortan unter ABC -(Waffen-)Bedingungen. Die Nato liefert weiterhin nützliche Waffen in die Ukraine, versteht sich aber nicht als Kriegspartei. Wo verlaufen die „roten Linien“, nach denen immer wieder gefragt wird?

Sicherheitspolitik und Energiepolitik gehen in diesen Tagen in einem geradezu atemberaubenden Tempo Hand in Hand. Es ist ein Salto mortale in die Wirklichkeit. Drastisch zeigt sich dabei, auf welchen Grundlagen und Abhängigkeiten unsere moderne globale Wirtschafts- und Wohlstandsgesellschaft fußt. Das Öl- und Gasembargo gegenüber Russland bleibt innenpolitisch ein kontroverses Thema. 

Die USA, die weniger von Russland abhängig sind, setzen Europa unter Druck, genauso wie die Ukraine und die osteuropäischen Länder Deutschland, das sich in hohem Maß aus „Unwissenheit und strategischer Blindheit“ (Habeck) von russischen Gas- und Ölimporten abhängig gemacht hat. Es zahlt täglich 200 Millionen Dollar und finanziert damit Putins Krieg. Diese Abhängigkeit will man nun rasch reduzieren. Ein europäischer Flüssiggaspakt (LNG) mit den USA ist ein Schritt dahin.

Der 25.3. ist zugleich der globale Streiktag von ‚Fridays for Future‘. An 1000 Orten der Welt und 300 in Deutschland gehen vorwiegend junge Leute auf die Strasse. Auch sie sind verstärkt wieder da. Sie verknüpfen den Protest gegen den Krieg mit der Energiefrage als der Schlüsselfrage einer energiefressenden Zivilisation. Der Krieg ist ein Grund mehr, aus den fossilen Energien auszusteigen. Ihre Fragen und Positionen liegen jenseits des derzeitigen politisch-ideologischen Parteienspektrums, das im permanenten Krisenmanagement überfordert ist.

Die herkömmlichen ökonomischen und politischen Krisentheorien unter neomarxistischen und neokonservativen Vorzeichen, die in den 70er Jahren noch bestimmend waren, reichen nicht mehr heran an die grundsätzlichen Zivilisationsfragen von heute, die durch neue Kriege und Waffen, Klimawandel und Versorgungsunsicherheit hervorgerufen werden. Zudem sind die ‚bösen‘ Wörter wie ‚Geopolitik‘ und ‚Zusammenstoß der Zivilisationen‘ (Welten und deren Logiken) wieder mit Macht zurückgekehrt. Wir sind weit von einer realistischen Einschätzung der gegenwärtigen Situation entfernt.

Putins Krieg hat das Gegenteil von dem bewirkt, was intendiert war: Er hat die Nato, Europa, die USA und den Westen geeint und gestärkt bei allen Differenzen. Noch eine Woche vor Kriegsbeginn drohte die EU Polen mit Sanktionen. Jetzt ist Polen auch wegen der außergewöhnlichen Flüchtlingsaufnahme das Herzland Europas.

Derweil verstärkt Russland noch einmal seine Rhetorik gegen den Westen. Putin spricht davon, dass „der Westen Russland zerstören wolle“, und Lawrow spricht vom „totalen hybriden Krieg“ in Anlehnung an Goebbels berüchtigte Sportpalastrede von 1943. Die vielbeschworenen Werte des Westens hält der russische Aristokrat für „wertlos“. 

Beide Male wird inhaltlich und in Worten, die jeder kennt, bewusst an den Nationalsozialismus und im Umkehrschluss an den Großen Vaterländischen Krieg erinnert, der in Russland schwerste Wunden schlug. Putin: „In den Hollywood – Filmen bleibt das außen vor“. 

Das erinnert auch an das Denkmal in Berlin-Treptow mit der Inschrift, dass Stalin die europäische Zivilisation vor der Hitlerbarbarei gerettet habe. Barbarei rechtfertigt Barbarei. Putins wahres Russland sieht sich in einem Verteidigungskampf der Zivilisationen, wobei auf verschiedenen Ebenen weltweit mobilisiert wird. Der Propaganda- und Informationskrieg läuft auf Hochtouren und ist nicht mehr zu überbieten mit den zahlreichen Informationskriegern im Internet.

Niemand entkommt der Geschichte, man kann aber auch in einer übermächtigen Geschichtserfahrung gefangen sein und bleiben (fixierte Identitäten) und sie für Propagandazwecke instrumentalisieren. Dann ist einem jede Fälschung recht. Der Lüge werden erfolgreich einige Elemente der Wahrheit beigemischt. Wahrheit und Lüge lassen sich nur noch schwerlich unterscheiden. Welche Quellen sind dann noch glaubwürdig? Gesunder Menschenverstand gegen Fake News? Geschichten gegen Geschichten.

Wie die weitere russische Kriegsstrategie aussieht, ist im Moment weniger offensichtlich. Die Militärs sprechen davon, dass die russische Offensive steckengeblieben ist, und der Krieg in einen Stellungs- und Zermürbungskrieg übergeht. Die russische Armee rekrutiert anfangs April neue Soldaten, und der Krieg könnte noch lange dauern. 

Der Vizechef des Generalstabs Rudskoi spricht am 25.3. davon., dass man sich auf die „Befreiung des Donbass konzentrieren werde“. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie das Kriegsgeschehen weiterläuft. Parallel dazu laufen weiterhin Verhandlungen, deren Ergebnisse ebenfalls offen sind. Wie sich Putin „gesichtswahrend“ aus diesem Krieg wieder herausziehen kann, ist die Frage.

Bildnachweis: IMAGO / Xinhua