Was China hören will

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Zur gleichen Zeit, wie die deutsche Außenministerin Baerbock zum ersten Mal China besucht, was ein heikler Besuch ist, der in Deutschland große Aufmerksamkeit findet, besucht der brasilianische Staatspräsident Lula China und findet in den chinesischen Medien eine weit größere Aufmerksamkeit als der deutsche Besuch.

China ist der wichtigste Handelspartner Brasiliens und einer der größten Investoren. Brasilien erhofft sich darüber hinaus einen Wiederaufforstungsfonds zur nachhaltigen Entwicklung (FAZ, 4.4., S.2). In Schanghai nahm Lula an der Amtseinführung seiner Parteifreundin, der früheren Staatspräsidentin Rousseff teil, die zur Chefin der BRICS- Entwicklungsbank ernannt wurde.

Lula schlägt die Schaffung einer Währung für die BRICS-Staaten vor, womit er den Dollar als internationale Handelswährung ablösen will (a.a.O.). Da hört Chinas Führung, das sich auf die Seite des globalen Südens stellen will, aufmerksam zu. BRICS steht als Abkürzung für die Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Jährliche Treffen gab es 2009 in Jekaterinburg, 2010 in Brasilien, 2011 in China, 2012 in Indien.

Auf Einladung Chinas war Südafrika 2011 erstmals dabei. Im Zuge des Ukraine- und Taiwan-Konflikts streben diese Staaten über Fonds und Zertifikate hinaus nach vermehrtem politischem Einfluss in Konkurrenz zum informellen Forum der G7 (Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, USA, GB).

Neben die wirtschaftliche Konkurrenz zur Weltbank und dem IWF tritt somit zunehmend eine politische Komponente, die sich strategisch bewusster positioniert, nachdem die G8 mit Russland 2014 in Sotschi gescheitert ist. Die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China wird derweil gleichzeitig ausgebaut.

Die westliche Diplomatie baut darauf, dass Xi auf seinen Freund Putin Einfluss nimmt, den zerstörerischen Ukraine-Krieg zu beenden – eine Hoffnung, die am 21.März in Moskau enttäuscht worden ist. Dennoch geben Macron und von der Leyen mit ihrem China-Besuch im April mit ihren diplomatischen Bemühungen nicht auf.

Auch Staatspräsident Lula bietet einen Vorschlag zur Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine an. Ihm schwebt ein „Friedensclub“ vor, der auch die Rückgabe besetzter Gebiete verhandeln könnte – ein Vorschlag, den Selenski umgehend vehement zurückwies.

Zudem schob Lula die Verantwortung für den Krieg schon anlässlich des Scholzbesuchs in Brasilien am 31. Januar 2023 sowohl Putin als auch Selenski zu. Nächste Woche wird Außenminister Lawrow in Brasilia erwartet. All das verärgert die kämpfende Ukraine, und es ist nicht zu sehen, inwiefern diese diplomatischen Initiativen realistisch sein könnten. Vielmehr rücken Friedensgespräche gerade wieder in weite Ferne.

Auch Baerbock appelliert bei ihrem China- Besuch zu Recht an die Verantwortung Chinas als ständigem Mitglied des UN-Sicherheitsrates, den Krieg in der Ukraine, den es lediglich als „Konflikt“ wahrnimmt, zu stoppen. Ähnlich indifferent sieht das großmächtige China wohl auch die kleinen Minderheitenkonflikte. Vor ihrer Abreise nannte Baerbock als „Kompass der europäischen Chinapolitik“: China als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ (FAZ, 14.4.).

Die chinesische Kommunistische Partei ist die größte Organisation der Welt. Sie hat mehr Mitglieder als Deutschland Einwohner. Seit Mao Tsetung, der 1949 die Volksrepublik China ausrief, hat kein Parteiführer wie Xi Jinping diese absolute Macht innegehabt und das gesamte politische System vertikal dieser Organisation unterstellt mit dem Militär als Machtbasis, das gewaltig aufgerüstet worden ist.

Gibt es diese europäischen Gemeinsamkeiten, die Baerbock so auffällig häufig als Versicherung betont, wirklich – in der Regierung, in EU-Europa, im atlantischen Bündnis? Bisher existiert noch nicht einmal eine nationale Sicherheitsstrategie. Kurz zuvor hatte Macron als smarter Gaullist, dessen 5.Republik gerade auseinanderfällt, Europa – als Vasall der USA? – zu einer eigenständigeren Taiwanpolitik aufgerufen. Welches Europa?

Europäische Souveränität innerhalb Europas wie gegenüber den USA, etwa in der Verteidigungspolitik ist seit langem das Lieblingsthema des französischen Präsidenten, auf das Deutschland seit 2017 nicht konstruktiv geantwortet hat. Hinzu kommen die Verschiebungen nach Nord- und Osteuropa seit den Dringlichkeiten des Ukraine-Krieges, in dem Frankreich zurückhaltend agierte.

In China heißt es dazu: letztendlich entscheide ohnehin Scholz, und die deutschen Unternehmen hätten ihre Tätigkeiten nicht zuletzt aufgrund der Energiewende, die Abhängigkeiten vergrößert und nicht verkleinert, ausgeweitet. Entkoppelung kommt in einer globalisierten Welt ohnehin nicht in Frage.

Wohl aber lassen sich Abhängigkeiten etwa durch Diversifizierung und den Schutz kritischer Infrastruktur verringern. Das ist die Reaktion auf die großmächtige unkritische Moskau-Connection mit ihren fatalen Folgen. 50 Prozent des Welthandels, davon 70 Prozent der Chipwirtschaft führen durch die Straße von Taiwan, weshalb die tagtäglichen gefährlichen Konflikte dort Europa keineswegs gleichgültig lassen können. Der Wandel durch Handel ist krachend gescheitert.

Hier aber scheint noch weniger chinesische Beweglichkeit absehbar als in Bezug auf Russlandeinfluss, Rüstungskontrolle oder den Klimawandel. Xi Jinping selber hat sich, nach seiner Hongkong-Lösung, in die Situation manövriert, dass nur noch ein militärischer Ausweg wahrscheinlich scheint (Adrian Geiges, 14.4.). Die simulierten Angriffe deuten darauf hin. Die mäßigen wirtschaftlichen Erfolge innenpolitisch könnten zu einer außenpolitischen Kompensation verführen.

„Wertegeleitete“ Außenpolitik erfordert „Klartext“, wofür Baerbock einerseits gelobt wird: Sie gibt „Contra“ und zeigt „Kante“ und einen „Zeigefinger“ Richtung Europa, lautet der Tenor in den deutschen Medien überwiegend, jedenfalls mehr als Kanzler Scholz zuvor. Andererseits warnt der konservative Flügel der SPD schon jetzt vor einer „Anti-China-Strategie“.

In Bezug auf die Menschenrechtslage kontert der chinesische Außenminister QuinGang: „Wir brauchen keine Lehrmeister aus dem Westen“(14.4.). Der Ton hat sich verschärft – auf beiden Seiten. Auch eine Vermittlerrolle im Ukraine-Krieg stellt Quin Gang nicht in Aussicht. Vielmehr führt die erste Auslandsreise des neuen chinesischen Verteidigungsministers, des bekannten Viersterne-Generals Li Shangfu, bezeichnenderweise nach Moskau.

Die politischen Schwerpunkte der Weltpolitik haben sich deutlich verschoben. Deutschland, Frankreich und EU-Europa ohne einheitliche Adresse überschätzen sich.

Bildnachweis: IMAGO / Kyodo News