Warten auf Trump

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Die Wenigsten in Europa wünschten sich ein Comeback von Trump als amerikanischer Präsident. Seit seiner überraschend deutlichen Wahl warten inzwischen auch sie geradezu ungeduldig und hoffnungsvoll auf den „man of of the year“ laut ‚Times‘, dass er den Krieg in der Ukraine binnen 24 Stunden beendet, wie er im Wahlkampf großspurig angekündigt hatte.

Indem er mit Putin spreche. Bislang gibt es diese Gespräche noch nicht.

Die Sprache der Macht – wie und wer spricht sie heute? Die neue Weltunordnung ist die neue Normalität.

Auf welche andere Sprache der Macht trifft eine Politik der Stärke, um wenigstens einen Waffenstillstand in der Ukraine herbeizuführen, und gleichzeitig die amerikanischen Interessen zu wahren.

Im Rahmen eines Krieges, der global geworden ist (als Kampf um die neue Weltordnung) und angesichts des realen Ukrainekrieges seit drei Jahren, geht es primär um militärische Stärke: Erstens gegen den strategischen Rivalen Russland und zweitens für die kämpfende Ukraine, um sie in eine möglichst starke Verhandlungsposition zu bringen. China schaut interessiert zu.

Mögliche Verhandlungen heißt gegenwärtig im Dezember 2024 die neue Prämisse der Krisenkommunikation der nationalen Sicherheitsberater, vornehmlich der USA und der Ukraine. Etwas anderes ist die Strategie Putins, bei der viele Fragen nach dem überraschenden Rückzug aus Syrien offen sind.

Wieder einmal hat es niemand vorausgesehen. Die Großmacht Russland mit seinen geopolitischen Ambitionen in Afrika erleidet eine Niederlage. Wird sie nach Libyen ausweichen? Wird Putin sich an der Ukraine, die er als seine Einflusssphäre betrachtet, rächen? Was kann Putin noch, was will er?

An der ostukrainischen Front rückt derweil die russische Armee seit Juni unaufhaltsam vor. Und was passiert in Kursk, wo nordkoreanische Truppen eingesetzt werden? Wie geht es weiter mit der Gesamtukraine? Was bedeutet die Drohung mit Mittelstreckenraketen? Wird es Waffenstillstand geben können, solange Russland militärisch auf dem Vormarsch ist? 

Das ist die große Frage, und zweitens, was kann Trump gegenüber Putin und für einen nachhaltigen Frieden erreichen? Das ist offen. Was er gegenüber der erschöpften Ukraine erreichen kann, liegt auf der Hand. Nicht wenige in der Ukraine setzen auf Trump, dessen Verhältnis zu Selenski sich verbessert hat.

Dem Disruptor Trump wird zu einer schnellen Strategie ohne rote Linien geraten, welche den Druck von militärischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Mitteln verstärkt, um damit Voraussetzungen zu schaffen, dass Putin Kiew die Bedingungen für Verhandlungen nicht diktieren kann (siehe ausführlich und im Detail 4. Dez., Foreign Policy, deutsch in: Frankfurter Rundschau 9.12.). Das ist ein guter Ansatz.

Moskau spricht zwar von Verhandlungen, bleibt aber bei seinen altbekannten maximalistischen Forderungen, die für die Ukraine nicht akzeptabel sind und einer Kapitulation gleichkämen. Das sind die Abtretung von Gebieten, der Verzicht auf die Nato-Mitgliedschaft, die Schwächung der eigenen Armee und der Regierungswechsel, was in der Sprache Moskaus „Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ heißt. Eine Kapitulation wird mit Folterkammern einhergehen.

Trump muss vor allem die Ansicht Putins ändern, dass er die Oberhand habe. Darin bestände die erwünschte Disruption. Die Lage auf dem Gefechtsfeld spricht allerdings nicht dafür, im Gegenteil.

Es gilt deshalb in erster Linie, die Front zu stabilisieren. Eben hat die Ukraine ihren Oberbefehlshaber General Lutsenko im Donbass nach mehreren Rückschlägen abgesetzt. Er konnte den russischen Vormarsch auf die strategisch wichtigen Städte Pokrowsk und Kurachowe nicht stoppen.

Die Ukraine lässt sich indes die Lösung des akuten Personalproblems, die fehlende Mobilisierung, von den USA nicht diktieren. Sie will nach wie vor primär mehr, bessere und weitreichende Waffen vom Westen, um dadurch Frieden durch Waffen zu schaffen. Und sie will nicht ihre jungen Menschen opfern.

Vor allem die Militärhilfe muss aufgestockt, die Munitionsversorgung verstetigt, die Ausrüstung verbessert und neue Einheiten müssen ausgerüstet werden. Ein Lichtblick für die Ukrainer ist die 155. Brigade, die ihre Ausbildung in Frankreich und Polen eben abgeschlossen hat und nun gefechtsbereit zurück in der Ukraine ist (siehe NZZ 10.12., S. 3.). Sie wird die Kampffähigkeit an der bröckelnden Front stärken. 

Das Motto der Einheit „on ne passe pas“ geht auf die Schlacht von Verdun zurück (a.a.O.). Paris und Kiew sparten nicht mit Symbolen und bringen die Parallelität zum brutalen Stellungskrieg im Ersten Weltkrieg zum Ausdruck. Infanteristischer Kampf neben futuristischer Drohnen-Technologie sind die zwei Gesichter des heutigen Krieges. Vergangenheit und Zukunft zeigen sich gleichzeitig. Die Großangriffe auf die Energieversorgung halten derweil unvermindert an und das im Winter.

Die neue Brigade ist bestens ausgerüstet mit Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, Artilleriegeschützen und Panzerabwehrsystemen. Der Kampf der verbundenen Waffen mit Soldaten, die westliches Gerät kennen, wurde mit vielen Instruktoren geübt, um die Fehler der gescheiterten Gegenoffensive von 2023 zu vermeiden.

Die Brigade mit ihren 4500 Angehörigen gehört zu den 10 Verbänden, welche die Ukraine dieses Jahr neu aufgestellt hat. Sie kommt spät, vielleicht zu spät. Darüber hinaus hoffen die technologieinnovativen Ukrainer auf neue Raketendrohnen, während Putin Kiew mit der Oreschnik-Rakete droht, die vor kurzem auf die Millionenstadt Dnipro niederging. Der Nato fehlt derzeit die Antwort auf diese neue Waffe (MAZ, 4. 12., S.4).

Syrien zeigt, wie schwach Russland wirklich ist. Israel war stärker als USA und Russland. Es zeugt von Realitätsverlust, wenn UN-Sondergesandte aus Europa die israelische Armee auffordern, das Zerstören von Material der syrischen Armee zu beenden. Das Bombardieren des Hafens von Latakia und das Versenken der syrischen Flotte nützt auch dem Westen, abgesehen davon, dass es die Russen von einer Rückkehr zu diesem Hafen abhält. 

Am 7. Oktober 2023 greift die Hamas Israel an. Am 8. Dezember des darauffolgenden Jahres ist die „Achse des Widerstandes“ zerstört. Israel ist der wertvollste Verbündete des Westens, und das Gericht in Den Haag ist gleichzeitig sein Paragraf gewordener Realitätsverlust.

Trumps und Kellogs Friedenspläne für die Ukraine, die sie nicht fallenlassen werden, sehen absehbar eine größere Beteiligung der Europäer vor. Der französische Staatspräsident Macron, der innenpolitisch geschwächt ist, prescht außenpolitisch einmal mehr vor, diesmal mit der Idee europäischer Schutztruppen.

Sind aber UK und F , die beiden europäischen Atommächte, stark genug, um gegen Russland bestehen zu können? Mit wem zusammen? Das ist eine vielleicht verfrühte und unterkomplexe, aber interessante Frage. Am 12. Dezember hat Macron vom polnischen Präsidenten Tusk jedenfalls eine klare Absage erhalten: „Solche Aktionen planen wir derzeit nicht.“ Das Weimarer Dreieck ist nicht handlungskräftig.

Ein Waffenstillstand ist noch in weiter Ferne, obwohl er immerhin ein Traktandum der Krisenkommunikation geworden ist, und erst recht ist ein nachhaltiger, gar gerechter Friede in weiter Ferne, der, wie immer, militärisch geschützt werden muss. Die Frage der Sicherheitsgarantien ist die Crux nach den schlechten Erfahrungen mit dem Budapester Memorandum (1994).

Mandat und Fähigkeiten dazu sind realistisch nicht geklärt. Phantasien bringen uns keinen Schritt weiter, vielmehr sind viele kleine, heikle und schwierige Schritte dahin notwendig, die in der nächsten Zeit zu verfolgen sind.

Bildnachweis: IMAGO / NurPhoto