Waffenstillstand in Schritten

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Laut amerikanischem Finanzminister Scott Bessent ist das geplante Rohstoffabkommen mit der Ukraine vom Tisch.

Der britische Botschafter in den USA, Peter Mandelson, ein enger Vertrauter von Premier Starmer, spricht sich dafür aus, dass Selenski das Abkommen baldmöglichst unterzeichnen soll, was dieser gegenüber der BBC bejaht.

Auch Starmer, der weltpolitikfähig die Führung der europäischen Initiative übernommen hat, spricht Selenski, den er herzlich umarmt, ins Gewissen. Der ukrainische Präsident ist unter enormem Druck. Als Glücksfall für das Land ist er als Kriegspräsident, als moderner Churchill, zwanzig Jahre gealtert.

Starmer sagt im britischen Unterhaus aber auch, dass es Trump nicht bei diesem Deal als Schutzabkommen belassen kann. Die Sicherheitsgarantien für die Ukraine seien ebenso wichtig, worauf Selenski zu Recht beharrt nach den bitteren Erfahrungen mit Putin 2014 und 2022. Der Aggressor ist Russland.

Können die Briten als transatlantische Brückenbauer noch einmal vermitteln, das ist die Frage. Trump stellt die nötigen Militärhilfen am 3. März vorübergehend ein, bis Selenski sich „auf Friedensverhandlungen mit Russland wieder einlassen will“. Er vertraut Putin.

Derweil will EU-Präsidentin von der Leyen, die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin, die Rüstungsausgaben massiv erhöhen. Sie spricht von einer „neuen Ära der Militarisierung“. Auch Deutschland diskutiert ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr und die Wiedereinführung der Wehrpflicht: neue Waffen und neues Personal. Wir werden sehen.

Die schnelle Verteidigungsfähigkeit dominiert, unmittelbar nach den Wahlen, die innenpolitische Agenda. „Turbomodus“ heißt das neue Zauberwort. In den Worten geht es von einem Extrem ins andere, an der langsamen Demokratie vorbei.

Ziel der britisch-französischen Initiative ist es richtigerweise, den Friedens- bzw. ’nur‘ schon den echten Verhandlungswillen (!) von Putin zu prüfen und zugleich Trump vor einem überhasteten Waffenstillstand ohne Sicherheitsgarantien zurückzuhalten. Beides (zugleich!) ist schwierig.

Der Plan von Starmer ist es, die „Ukraine zu einem Waffenstillstand zu verpflichten, um die Russen zu zwingen, dem zu folgen“ (FAZ, 4. März, S.2). Dabei geht es zunächst einmal in einem ersten Schritt (so besprochen mit Macron), um eine begrenzte Waffenruhe in der Luft, zur See und bezüglich der Energieinfrastruktur. 

Die aufreibenden infanteristischen und Artillerie-Kämpfe an der Front gehen derweil unvermindert weiter. Um allerdings nur schon diese Waffenruhe kontrollieren zu können, sind Aufklärungssysteme der Nato erforderlich.

Lehrreich ist, dass man endlich Lehren aus früheren Erfahrungen zieht, zum Beispiel bei der Luftüberwachung im Bürgerkriegsland Libyen März 2011. Dies war am Anfang des Ukrainekrieges ebenfalls ein höchst kontroverses militärpolitisches Thema, das der damalige Verteidigungsminister, der ehemalige General Austin zurückwies.

In den USA demonstrierten damals Studenten für die Luftraumsicherung über dem ukrainischen Himmel. In Europa wagte lediglich Polen, der Musterschüler der Allianz, Schritte in diese Richtung.

Lehren zieht nun Macron, nachdem er anfangs einmal der ‚Appeaser‘ gegenüber Putin auftrat („er soll sein Gesicht wahren können“). Doch Macron ist lernfähig. Sein Plan, zusammen mit Starmer, ist mit der Hoffnung verbunden, dass eine temporäre Feuerpause, die noch kein Waffenstillstand und schon gar kein Friede ist, immerhin bessere Verhandlungen ermöglicht.

Mehr nicht, aber lange genug ist vehement gefordert worden, auch einmal die Diplomatie anstelle nur des Krieges und der Diskussion um neue Waffenlieferungen zum Zuge kommen zu lassen. Trump kann man vieles vorwerfen, aber nicht, dass er kein Macher sei, der nicht anpackt, was er versprochen hat: 

„Endlich wird verhandelt“ (NZZ, 22. Februar, S.1), einen Monat nach der Inauguration. Europa hatte drei Jahre Zeit. Steht Trump aber noch als Anwalt zwischen der Ukraine und Russland? Verhandeln setzt Vertrauen voraus. Die moralische Dämonisierung von Putin und Trump ist dabei nicht hilfreich.

Die Minsker Abkommen 2014/2015 unter deutsch-französischer Führung sind in Frankreich zumindest einer kritischen Überprüfung unterzogen worden. In Deutschland fehlt es an dieser gründlichen, selbstkritischen Diskussion. Man ersetzt weitgehend noch immer Politik durch Moral.

Die Amerikaner unterstützten die Minsker Abkommen. Trumps Antwort auf Selenskis Hinweis, dass der Vertrag von 2014 gebrochen worden sei: „damals war ich noch nicht hier“ (28.2.), lässt tief blicken.

Aus der nur unzulänglich kontrollierbaren Waffenruhe, die Macron 2019 in Gesprächen mit Putin, Selenski und Merkel noch retten wollte, trotz der alltäglichen Angriffe russischer Separatisten an der Frontlinie (a.a.O.), zieht er nun die Lehre. 

Besonders kritisch ist man gegenüber der sogenannten Steinmeier-Formel, mit der man „Russland ohne robuste Kontrollmechanismen entgegengekommen sei“. Im Oktober 2019 stimmten Russland und die Ukraine ihr zu, was einer „Einladung an Moskau“ gleichgekommen sei, „die Kampfhandlungen fortzusetzen“ (FAZ, 4. März).

Kann der Kriegsherr Putin überhaupt Frieden? Für Trump ist dies eine unzulässige Frage, was wiederum den Verdacht des Verrats an der Ukraine weckt. Russland versucht gezielt durch wirtschaftliche Maßnahmen, gemeinsame Rohstoffausbeutung und durch Vermittlungsangebote, etwa bei den Atomgesprächen mit dem Iran, Trump auf seine Seite zu ziehen. 

Putin will möglichst gute Konditionen bei den Verhandlungen herausholen. Die Sanktionen, die Russland vor allem im Finanz- und Rohstoffbereich schmerzen, sollen gelockert werden.

In seiner Rede 100-minütigen Rede (5.3.) zur Lage der Nation („Amerika ist zurück“), patriotisch nach innen gerichtet, kündigt Trump ganz gegen Schluss an, dass Selenski zu Friedensverhandlungen mit Russland unter der „starken Führung“ des amerikanischen Präsidenten („strong leadership“) bereit sei. 

Auch das Rohstoffabkommen will er unterzeichnen. Nach Selenskis Bedauern über den Eklat im Weißen Haus (ohne Entschuldigung) und seinem Brief an Trump ist damit der Gang zum heutigen Canossa getan.

In der Ukraine herrscht Erleichterung, aber auch Stolz auf ihren Präsidenten, sie brauchen die amerikanische Unterstützung („es gibt keinen Tag, an dem ich dafür nicht dankbar bin“, Selenski). Man wird aber auch eigenständiger, etwa im Drohnenkrieg, der immer stärker das Gefechtsfeld bestimmt. 

Natürlich braucht man gerade dafür auch Starlink von Musk, das dieser auf Knopfdruck ausschalten kann. Man benötigt die ‚Patriots‘ zum Schutz der zivilen Städte und der Infrastruktur, die HIMARS und ATACMS u.a. als besonders wirksame Waffen.

Die opferbereite Ukraine muss sich verteidigen, um nicht zerstört zu werden. Sie kann militärisch mehr als 2022, aber die Abhängigkeit von den USA bleibt kurz- und langfristig groß und kann durch Europa nicht kompensiert werden.

Die Ukraine ist nun bereit für eine begrenzte temporäre Waffenruhe, wie sie Starmer und Macron vorgeschlagen haben, wenn Russland das auch tut. Das ist ein erster wichtiger Schritt zu wirklichen Verhandlungen über einen Waffenstillstand, der in einen Frieden münden kann, wenn die schwierigen Sicherheitsgarantien geklärt werden.

Bald wird sich zeigen, welche „Karten“ Trump und Putin auszuspielen haben.

Bildnachweis: IMAGO / i Images