Vor Ostern werden die Ansagen der amerikanischen Friedensdiplomatie im Falle der Ukraine deutlicher.
Zuerst verkündete Außenminister Rubio, dass die USA nicht „endlos Zeit“ hätten. In den nächsten Tagen müsse es deshalb Bewegungen hin zum Frieden geben, in diesem „brutalen Krieg“, den man immer noch beenden wolle.
Es war ein Wahlversprechen von Trump und bald sind seine ersten hundert Tage erreicht, wobei die innenpolitische Bilanz (America first) gemäß den Umfragen alles andere als großartig (great again) aussieht. Amerika hat sich radikaler und rasanter verändert, als es für möglich gehalten wurde. Steve Bannon hat es vorausgesagt. Das neue Wort statt Revolution heißt Disruption.
International würden sich die USA auch aus den Ukraine-Verhandlungen zurückziehen, da man noch „andere Prioritäten habe“, so Rubio weiter. Tatsächlich finden gerade große Manöver mit den Philippinen und anderen Nationen im südchinesischen Meer statt. 9000 amerikanische Soldaten sind beteiligt, eine neue Art Nato. Hauptkriegsgegner für das Pentagon ist neuerdings China und nicht Russland.
Dasselbe wie Rubio wiederholt später Vizepräsident Vance, nachdem Trump seine „final offert“ vorgelegt hat, die er für „fair“ hält. Die diplomatischen Bemühungen vonseiten Amerikas dafür seien „außerordentlich“. Vance war indes noch nie ein großer Unterstützer der Ukraine.
Eine Hauptrolle spielt Steve Witkoff als Sondergesandter und Vertrauter von Trump, der am 26. April zum vierten Mal mit Putin in Moskau zusammentrifft. Diesmal sitzen neben Putin bezeichnenderweise sein außenpolitischer Berater Uschakow und der Berater für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA Dmitrijew. Das sind wichtige Figuren im Hintergrund, die bei dieser Gelegenheit erstmals ins Bild treten.
Witkoff sollte ein vertrauliches Verhältnis zu Putin aufbauen. Selenski kritisierte, dass er russische Narrative übernehme. Die NZZ spricht von „Laien-Diplomatie“ und kommt zum Schluss: „Russland nutzt Witkoff aus“ (28.4., S.5).
Selenski war für Trump der schwierigere Partner, während er Putin als Staatsmann bewundert und mit deutlichen Forderungen von vornherein verschonte, sozusagen als Vorschuss für ein persönliches Entgegenkommen. Bisher war es ein minimales Entgegenkommen, verbunden mit maximalen Forderungen.
Tatsächlich wird ein neues bilaterales Verhältnis auf wirtschaftlicher Basis zu Russland intensiv aufgebaut. Das ist in beiderseitigem, insbesondere aber in Putins Interesse, vor allem die Rückkehr zum internationalen Banken- und Zahlungssystem.
Ein Fan von Selenski war Trump erklärtermaßen nie. Selenski und Biden gibt er die Schuld für einen Krieg, der nie „hätte ausbrechen dürfen“.
Trump meint außerdem im Ernst, dass Putin bereits große „Zugeständnisse“ gemacht habe insofern, als er auf die „ganze Ukraine verzichte“. Das erinnert an Aussagen von Putin, die dieser ebenfalls ernst gemeint hatte, als er sagte, „die ukrainischen Brüder“ (vergleichsweise) „milde“ (!) behandelt zu haben: Das Ganze sei eine „Tragödie“.
Schon beim Eklat im Weißen Haus im Februar wurde offensichtlich, dass die amerikanische Administration den Krieg für verloren hält und auf einen Status-quo-Frieden hinarbeitet, der dem Patt auf dem Schlachtfeld entspricht, das in einen langwierigen Stellungskrieg übergegangen ist.
Von Selenski wurde erwartet, dass er einlenkt und seine Erwartungen (Nato-Beitritt) nicht zu hoch hängt. Vielmehr solle er sich für die amerikanische Unterstützung dankbar zeigen. Selenski: „es gibt keinen Tag, an dem ich das nicht tue.“ Das ist ihm abzunehmen.
Das „finale Angebot“ Trumps (auf einer Seite laut News Portal Axios), das am 23. April vorliegt, sieht vor:
Für Russland:
– die offizielle Anerkennung der Krim als Teil Russlands;
– die inoffizielle Anerkennung der von Russland besetzten Gebiete;
– keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine;
– Aufhebung der Sanktionen seit 2014;
– Intensivierung der amerikanisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen, vor allem im Energiebereich.
Siehe dazu im Detail: „Zuckerbrot und Pipelines“, FAZ, 26. April. S.2.
Für manche Schritte braucht Trump indessen auch den Kongress und die Europäer.
Für die Ukraine:
– erhält Sicherheitsgarantien;
– Teil der Oblast Charkiv;
– Hilfe beim Wiederaufbau und Entschädigungen;
– ungehinderter Zugang zum Dnipro.
Weiter ist vereinbart:
– ein Deal über Seltene Erden;
– die USA betreibt das größte europäische AKW Saporischschja, das auf ukrainischem Territorium bleibt, aber beide Seiten versorgen soll.
Davon unterscheidet sich der europäische Friedensplan, der in Paris und London am 17. und 23. April verhandelt worden ist (siehe Tagesspiegel 25.4.).
Er weicht ab in Bezug auf
– Territorien,
– Sicherheitsgarantien,
– Waffenstillstand,
– Wirtschaft und
– Entschädigung von Kriegsschäden.
Die territorialen Fragen sollen erst nach einem bedingungslosen und umfänglichen Waffenstillstand diskutiert werden, der mithilfe der Amerikaner überwacht und umgesetzt werden soll, ebenso wie robuste Sicherheitsgarantien.
Die illegal verschleppten Kinder sind bedingungslos zurückzugeben, und die Sanktionen sollen lediglich stufenweise gelockert und gegebenenfalls auch wieder verstärkt werden. Zudem darf die Frage der Reparationen und ihre Kosten nicht offenbleiben, wie bisher in Witkoffs Vorschlägen. Eingefrorene russische Gelder müssen vielmehr benutzt werden.
Die amerikanische Friedensdiplomatie von Trump und Witkoff setzte bisher eher Selenski als Putin unter Druck. Wirtschaft, Handel, Technologien und Rohstoffe werden als politische Waffen eingesetzt. Sie sollen auch zur Modernisierung der Ukraine eingesetzt werden.
Nur schon eine begrenzte Waffenruhe in Bezug auf Infrastruktur und Schifffahrt war und ist Putin allerdings schwer abzuringen. Seine Armee rückt weiter vor und der Beschuss von offensichtlich zivilen Zielen wie Wohnhäuser hört nicht auf.
Selbst Kiew, die Hauptstadt, wird wieder bewusst unter Beschuss genommen, um (vermeintliche) Stärke zu zeigen. „Falsches Timing“ lautet zunächst die Reaktion von Trump.
Trump trifft Selenski am 26. April bei der Beisetzung von Papst Franziskus im Petersdom. Franziskus hatte in seiner letzten Osterbotschaft den herausragenden Satz formuliert: „Der berechtigte Anspruch auf Verteidigung“ darf sich nicht in einen „Wettlauf um Rüstung verkehren.“ Das wäre eine konkrete weltpolitische Utopie.
Selenski spricht von einem „historischen Treffen“, obwohl es nur 15 Minuten dauerte. Worüber haben sie gesprochen?
Es muss mehr als ein symbolischer Akt gewesen sein. Danach kritisiert Trump zum ersten Mal Putins Hinhaltetaktik ungewöhnlich offen und scharf. Er droht mit Sanktionen, die es in sich haben – das ist eine Kehrtwende.
„Vielleicht will er (Putin) den Krieg gar nicht beenden und führt mich an der Nase herum“, zweifelt Trump, der sprunghaft und erratisch bleibt, leicht inhaltlich beeinflussbar von Personen, die ihm nahestehen. Schon den finnischen Präsidenten Stubb, der es wissen muss, hatte er beim gemeinsamen Golfen gefragt, ob er Putin trauen kann.
Trump hat keinen Plan, aber Ambitionen. Er will Putin vertrauen, während dieser – dank dem Amerikaner – wieder auf der Weltbühne ist. Putin hat damit zweifellos schon gewonnen, Trump noch nicht.
Auch auf dieser Ebene der persönlichen Psychologie spielt sich die große Politik der mächtigen Männer ab – nötige Krisenkommunikation auf höchster Ebene. Da mag der Theoretiker lange die Nase rümpfen, die Augen vor der Wirklichkeit sollte er dennoch nicht verschließen.
Das Triviale ist oft das Elementare. Gerade aus der jüngeren deutschen Zeitgeschichte kennen wir überraschend funktionierende Beispiele verschiedenster Personen wie de Gaulle und Adenauer, Kohl und Gorbatschow, Mitterrand und Kohl, die persönlichen Vertrauensverhältnisse mit großen Folgen aufbauen konnten.
Biden hatte definitiv ein anderes Verhältnis zu Putin als Trump, er nannte ihn in Polen sogar einen „Killer“ und meinte es auch so.
Putin spricht noch heute vom „Nazi-Regime in Kiew“. Selenski wiederum sieht in ihm die Wiederkehr des „Bösen“. Wie soll man da noch miteinander reden können?
Der Ansatz der Geschäftsmänner Trump und Witkoff ist ein anderer.
Was sich diplomatisch daraus noch machen lässt, wird sich zeigen. Das braucht Zeit und Geduld, die Trump fehlt. Es ist objektiv eine realistische Frage sowohl der militärischen Stärke wie des politischen Umfelds, auch von Russland, das wir nicht sicher kennen und voraussagen können. Frieden wird sich in diesem historischen Umfeld entwickeln müssen, er bleibt gefährdet.
Viele von Europas, insbesondere Deutschlands heftigen Klagen und Vorwürfen sind vor diesem Hintergrund heuchlerisch. „Diktatfrieden“ ist das falsche Wort. Mehr polnischer Realismus und wehrfähige skandinavische Zivilität würden helfen anstatt verbaler Panik und großen Worten von neuer Führungsrolle: „Merz muss ein neuer Churchill werden, sonst kommt der Krieg zu uns“ (Kiesewetter, Welt TV). Je schwächer die Bataillone, desto größer die Worte.
Trump plädiert nun für direkte Gespräche auf höchster Ebene. Er hat zweifellos Wichtiges angeschoben, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zuerst muss es zu einem bedingungslosen und vollumfänglichen Waffenstillstand kommen, bevor verhandelt werden kann.
Das ist mühevoll genug im konkreten Detail, zumal die Lösung mit dem Einfrieren der langen Frontlinien (so der Kellogg-Plan) den russischen Gebietsansprüchen nicht genügt, wie wir seit Langem wissen. An den russischen Kernforderungen hat sich seit 2022 nichts geändert. Die militärische Gegenoffensive der Ukraine bis zur Krim ist 2023 gescheitert. Der Krieg hat Fakten geschaffen.
Wie ein verlässlicher (heute heißt es: nachhaltiger) Frieden aussehen könnte, steht deshalb in den Sternen, wenn er überhaupt möglich ist. Nur schon die technischen Fragen für einen Waffenstillstand sind immens. Daran arbeiten jetzt immerhin ukrainisch-europäisch-amerikanische Arbeitsgruppen.
Die Ukraine wird Gebiete abtreten müssen. Das sieht auch Bürgermeister Klitschko so. Die territorialen Fragen sind besonders heikel, da sie außerhalb der Verfassung stehen – auf beiden Seiten! Sie werden die Gründe für neue Kriege sein, Gründe findet das ‚animal rationale‘ immer. Umso größer ist die Kunst von gesicherten Friedensverträgen, die selten perfekt sind.
Sicherheitsgarantien, auf die Selenski die amerikanische Seite weiterhin zurecht drängt, wird es ebenfalls mit Sicherheit geben müssen. Die europäischen militärischen Kräfte reichen dafür nicht aus.
Wie robuste Sicherheitsgarantien aussehen, ist noch immer offen. Die Amerikaner haben dafür die Fühler ausgestreckt. Das ist eine ebenso (vor-) entscheidende Frage wie die territorialen Fragen.
Wird sich die USA wie daran beteiligen? Was bedeutet das Israel-Modell, das Biden als Ersatz für einen Nato-Beitritt damals in Vilnius ins Spiel gebracht hatte, für die Ukraine? Welchen Anteil werden die Europäer übernehmen müssen und können. Wie sehen die militärischen Kräfteverhältnisse aus? GB und Frankreich sind andere Kaliber als Deutschland.
Wie werden sodann die Differenzen zwischen Europa und den USA und innerhalb der Nato, die absehbar auftreten, ausgetragen und entschieden? Das sind die großen schwierigen Fragen, die zu neuen Konflikten und Zerwürfnissen führen können.
Noch geht der Erschöpfungs-Krieg, der nicht entschieden ist, unvermindert weiter. Die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk konnte die russische Armee bislang auch nach langen schweren Kämpfen nicht einnehmen.
Es wird sichtbar, dass die russische Armee nicht in der Lage ist, zwei Offensiven an der 1500 Kilometer langen Front durchzuführen. Die ukrainische Front ist unter Druck, aber sie ist noch nicht zusammengebrochen trotz der großen Rekrutierungsprobleme.
Die russische Armee ist zum Teil weit entfernt davon, die vier annektierten Provinzen zu kontrollieren. Entweder wird die Region Sumy priorisiert oder der Donbass. Für beides gleichzeitig reicht die militärische Kraft nicht aus. In Kursk musste man sogar nordkoreanische Soldaten einsetzen.
Es ist nicht zu glauben, dass der amerikanische Generalstab dies nicht weiß. Offenbar will Trump Russlands Integrität bewahren. Bei entschiedener Unterstützung hätten Biden und die Europäer diesen Krieg in der Ukraine gewinnen können.
Man kann jetzt, sei es als Republikaner oder Demokrat, nicht behaupten: „Es ist nicht unser Krieg“, nachdem Untersuchungen der ‚New York Times‘ gezeigt haben (30.3.2025), wie tief die USA in den Krieg von Anfang an verwickelt waren und die Ukrainer ermuntert und unterstützt haben zu kämpfen.
Eine ehrliche Bilanz der amerikanisch-europäischen Außenpolitik wäre die Voraussetzung für eine realistische und kritische Selbstwahrnehmung. Sie fehlt allenthalben. Das Hauptproblem am sogenannten Trump-‚Plan‘ ist, dass sich die USA nicht dazu äußern, wie sie sich das außenpolitische Handeln der russländischen Föderation in Zukunft vorstellt.
Wäre für Trump eine rote Linie überschritten, wenn Russland den Waffenstillstand brechen würde? Wäre sie überschritten, wenn Moldau erobert würde? Wie würde die USA reagieren, wenn zum Beispiel Narva mit 80 % russischer Bevölkerung besetzt würde? Würde dann die amerikanische Kriegsflotte in die Ostsee auslaufen? Die Mini-Nato der Ostflanke steht, steht auch die USA?
Es gibt keine Anzeichen für eine wie auch immer geartete Containment-Politik seitens der USA. Das ist der große Unterschied zur Zeit des Kalten Krieges. Es fehlt die strategische Weitsicht.
Wie wird sich das ukrainische Militär zu den Friedensplänen verhalten, wie die Bevölkerung? Die russische Seite will den Frontverlauf nicht einfrieren, sie will vielmehr das vollständige annektierte Gebiet, welches militärisch nicht unter voller Kontrolle ist. Das hat Peskow jüngst wieder bekräftigt.
Wer nicht die russische Staatsbürgerschaft übernehmen will, muss gehen. Wie kann es hier jemals Frieden geben? Der Partisanenkrieg wird weitergehen, wie er auch auf der Krim durch die Krimtataren im Kleinen weitergeht.
Moskau kündigt nun eine einseitige Waffenruhe vom 8. bis 10. Mai an. Am 9. Mai feiert Russland den Sieg über Nazi-Deutschland, und Putin möchte der Welt demonstrieren, dass er zu Friedensverhandlungen bereit ist.
Das tut er nur auf Druck von Trump, der jetzt ultimativ direkte Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien fordert. Sicherheitsberater Waltz spricht von Zuckerbrot und Peitsche, um beide Kriegsparteien an einen Tisch zu bringen (28.4.).
Bildnachweis: IMAGO / ZUMA Press Wire