Realistische Diplomatie mit Druckmitteln 

  1. Home
  2. /
  3. Blog
  4. /
  5. Realistische Diplomatie mit Druckmitteln 

Am 16. März ordnet Präsident Trump erstmals seit seiner Präsidentschaft massive Angriffe auf die Huthi-Rebellen in Sanaa und Saada im Jemen an – „überwältigend tödliche Gewalt“ (Trump), vom Flugzeugträger aus, die auch Zivilisten trifft.

Die Huthi-Rebellen greifen gezielt israelische Schiffe an und gefährden die internationale Schifffahrt im Roten Meer. Sie gehören, zusammen mit der Hamas und der Hisbollah, zur „Achse des Widerstandes“, die hauptsächlich vom Iran unterstützt und gefördert wird – ideologisch, politisch, finanziell und militärisch.

Ajatollah Chamenei weist das Gesprächsangebot Trumps zurück, der in seiner ersten Amtszeit das Atomabkommen aufgekündigt hatte. 

Im Hintergrund soll indirekt auch Russland beteiligt sein. Der Hamas wie dem Iran droht Trump mit der „Hölle“, sollten sie seine Drohungen nicht ernst nehmen. Einen Vorgeschmack hat der berechenbar Unberechenbare gegeben. 

Am 16. März verurteilt Russland die amerikanisch-britischen Angriffe. Der Iran spricht davon, dass „die UN-Charta verletzt werde“. Von „amerikanisch-britischer Aggression“ in der Region ist die Rede. Die Situation eskaliert weiter, kein Bürgerkrieg konnte bisher auf diese Weise beendet werden, auch der jemenitische nicht.

Am 18. März ist die Waffenruhe im Gazastreifen ebenfalls wieder vorbei, mehr als 100 israelische Kampfjets – abgestimmt mit den USA – greifen an und bombardieren – was noch? Hunderte Tote, Todesurteil für die Geiseln? Iran und die Türkei protestieren aufs Schärfste.

Das ist wieder eine neue Eskalation – und „nur der Anfang“ (Netanjahu).

Trump und Putin

Ein Deal unter Großmachtführern könnte Trump gerade jetzt passen. Putin auch, der in Kursk auf dem Vormarsch ist und im Tarnanzug die Front besucht, während die Ukrainer mit Raketen im Eigenbau Ölraffinerien im russischen Kernland angreifen. 

Die Ukraine ist auf dem Rückzug und in Sorge, dass Putin in die Region um Sumy vorstoßen könnte, was eine neue Front wäre. 

Die Ukrainer haben ihren Friedenswillen demonstriert, Putin bisher nicht. Geht Trump in seine Falle? Lenkt er vom Waffenstillstandsvorschlag vom 13. März ab? Blufft er mit seiner militärischen Überlegenheit in Kursk? 

Die Ukraine hat noch nicht verloren. „Der Westen“ auch nicht (siehe Rüesch, NZZ, 15.3., S.15). Ich stimme den Überlegungen von Rüesch zu. Sein Ergebnis ist ebenso richtig wie trivial, was nicht heißt (‚trivial‘ ist auch nicht ‚banal‘), dass es für Europa und speziell für Deutschland einfach wird, im Gegenteil. 

Es setzt außerdem voraus, dass die erratische Radikalität und Unberechenbarkeit von Trump, die jetzt überall erschreckt, zum Vorwand für alles (Un-)Mögliche genommen wird, nicht so radikal sein wird in Bezug auf die Nato und die Sicherheit der Europäer: „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, weiß der Volksmund. 

Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist, ob die Amerikaner ihre Stützpunkte in Europa schließen werden. Würden sie das tun, könnte Russland in der Tat davon ausgehen, dass die USA Europa den Rücken gekehrt haben. 

Zweifel gibt es bereits, erste Nato-Länder (Kanada, Portugal) stellen den Kauf von F-35 Kampfflugzeugen infrage, auch wegen des Gerüchts über ein „kill switch“. Es ist das modernste und teuerste Kampfflugzeug der Welt, mit elektronischen Systemen vollgepackt, und Standard-Flugzeug der Nato. Deutschland will die alte Tornado-Flotte dadurch ersetzen, es hat bereits 35 Jets bestellt, die Schweiz 24.

Vor kurzem noch kaum vorstellbar: Trump wickelt sogar seine engsten Verbündeten ab. Der neue kanadische Premierminister Carney, der Nachfolger von Trudeau, trifft zuerst Macron und Starmer in Europa.

Das Beispiel gehört zum Ende der Pax Americana und zum neuen alten Pol ‚Europa‘, der noch schwach, aber in Veränderung begriffen ist. 

Der amerikanische Rückzug wäre sicherlich der sicherheitspolitische worst case. Nach der Nato-Tagung Ende Juni in Den Haag werden wir es genauer wissen. Die strategische Abhängigkeit von den USA soll jedenfalls national und europäisch verringert werden. Das gilt auch für die F-35, die durch die Rafale oder den Eurofighter ersetzt werden könnte.

Neue transatlantische Allianz

Das Ziel muss sein, die transatlantische Allianz neu auszuhandeln. Dazu sind zwei Irrtümer zu korrigieren (Rüesch a.a.O.). Irrtum I: Die Amerikaner brauchen Europa, auch um Chinas globale Ambitionen einzuhegen, aber ebenso aus wirtschaftlichen Gründen: „die EU ist für die USA der mit Abstand wichtigste Handelspartner, der größte Exportmarkt und die bedeutendste Quelle von Auslandsinvestitionen.“ 

Auf europäischer Seite ist der Illusion zu begegnen, Irrtum II, „dass man Sicherheit ohne die USA oder gar gegen sie erreichen könne.“ Rüesch skizziert dafür einen Tauschhandel, der wie folgt aussieht: Die konventionelle Verteidigung wird primär Angelegenheit der Europäer und ihrer Nationen; und der amerikanische Atomschirm bleibt erhalten ebenso wie ihre speziellen Fähigkeiten für die Nato vor allem in Bezug auf Aufklärung und Logistik. Zugleich helfen die Amerikaner, die Ukraine abzusichern. 

Das ist der realistische Weg, der hier und jetzt allen Akteuren viel abverlangt. Die Europäer unter Führung von Starmer, Macron und Rutte gehen in diese Richtung und arbeiten daran. 

Der Nato-Gipfel Ende Juni wird verbindliche Klarheit schaffen müssen. Wohin Trump in seinen Verhandlungen mit Putin kommt, in denen darüber hinaus weltpolitische Belange eine Rolle spielen werden, wie eingangs kurz angesprochen, ist noch offen. 

Putin mag Kellogg offenbar wegen seiner proukrainischen Haltung als Unterhändler nicht, er ist nicht mehr Sonderbeauftragter für Russland. Wittkof hat ihn abgelöst, der am 13.3. ein Gespräch mit Putin hatte. Laut ihm werden die Differenzen zwischen den Regierungen geringer (CNN). 

Es fällt auf, dass Trump Putin nicht hart kritisiert, jedenfalls nicht so hart wie Selenski zuvor, der Friedenswillen demonstriert hat. Putin demaskiert sich, und Trump merkt es nicht? 

Am Dienstag, den 18. März kommt es zu einem weiteren Telefonat zwischen den beiden. Es wird mehrere Themen beinhalten. Das AKW Saporischschja unter russischer Kontrolle soll auch ein Thema sein.

Vom Waffenstillstand zum Frieden? 

Der grobe Fahrplan sieht zunächst einen Waffenstillstand vor, wonach es zu weiteren Verhandlungen kommen wird, die schließlich, im besten Fall, in ein Friedensabkommen münden. Letzteres kann aber auch scheitern, und es kommt zu einem Korea-Szenario wie nach dem Krieg 1950-53. Es bleibt dann ein gefährlich schwelender Konflikt ohne Friedensvertrag. Der Partisanenkrieg wird weitergehen. 

Die Europäer unter Führung von Starmer und Macron bringen weiterhin Friedenssoldaten ins Spiel, worauf sie mit despektierlichen Kommentaren von russischer Seite bedacht werden (Medwedew, Peskow). Außenminister Lawrow spricht gar von „Führerin Ursula“ (13. März).

Die Russen wollen nur mit den Amerikanern verhandeln, Russland verlangt „eiserne Sicherheitsgarantien“. Entscheidend ist, was Washington und Moskau sagen und nicht Kiew, London oder Paris.

Der russische Philosoph des neuen Imperialismus Alexander Dugin fordert gar, dass Putin und Trump gleich über eine neue Weltordnung verhandeln sollten. Um die Ukraine geht es nicht. Die Großmächtigen und Großsprechenden wollen ihre Geschichte schreiben.

Die ukrainische Bevölkerung wiederum, die jeden Tag unter diesem Krieg leidet, ist realistisch und skeptisch. Es toben heftigste militärische Kämpfe in Donezk und Kursk. Die Ukraine reklamiert weiterhin militärische Präsenz in der westrussischen Region. 

Hauptstreitpunkt bleiben die beiderseitigen Sicherheitsfragen, dabei geht es nicht nur um 500 Beobachter, sondern um sehr viel mehr – politisch, militärisch und technisch. Das Misstrauen aus historischen Gründen ist auf beiden Seiten groß und kaum zu überwinden – Vergangenheit, die nicht vergeht.

Ebenso groß sind die Spekulationen darüber, was Trump und Putin am Dienstag, dem 18. März, telefonisch besprechen. Um sogenannte ‚assets‘ soll es gehen: Was steht auf dieser Liste? Welche Gebiete? Gehört Odessa dazu? Das sind die wilden Gerüchte im Vorfeld des Telefonats.

Was ist kurzfristig, für die 30-tägige Waffenruhe, möglich und nötig? Was generell und langfristig? Lauten die systematischen Fragen.

Die Erwartungen sind groß. Für Trump war das Gespräch mit Putin, wie immer, „ein Erfolg“, wie er auf seiner eigenen Plattform schreibt.

Die Ergebnisse am Dienstagabend nach dem zweistündigen Gespräch sind allerdings bescheiden. Sie beziehen sich lediglich auf einen Teil der amerikanisch-ukrainisch vorgeschlagenen 30-tägigen Waffenruhe, nämlich Angriffe auf die Energieinfrastruktur. Dem stimmt Putin zu, auch einem Austausch von Kriegsgefangenen.

Darüber hinaus verlangt er weiterhin die Einstellung von westlichen Waffenlieferungen. Ansonsten bleibt er bei seinen Maximalforderungen.

Es ist ein Anfang, nicht mehr, die Türen sind nicht zugeschlagen, die Gespräche werden fortgeführt, Schritt für Schritt.

Den Amerikanern geht es offenbar primär um das bilaterale Verhältnis zu Russland, auch auf geschäftlicher Ebene, einschließlich gemeinsamer Hockeyspiele. Das gefällt den Russen und muss ein Hohn für die Ukrainer sein.

Das Vertrauen der Ukrainer und Europäer in Trump ist nicht größer geworden und
schon gar nicht das Vertrauen der Ukrainer gegenüber Russland, das nicht einmal auf eine generelle Waffenruhe eingehen kann und will.

Die Ukrainer zeigen am 18. März mit Angriffen auf Belgorod, dass sie militärisch handlungsfähig sind.

Bildnachweis: IMAGO / NurPhoto