Putin kommt nicht

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Trump, der gerade im Nahen Osten auf seiner ersten Auslandsreise unterwegs ist, typischerweise als Geschäftsmann dort, wo die größten Geschäfte zu machen sind, in Saudi-Arabien und den Emiraten, dachte darüber nach, selbst am Treffen von Selenski mit Putin in Istanbul teilzunehmen. 

Das wäre in der Tat eine interessante Begegnung gewesen und das Dreier-Bild für Trump ein High-Light, möglicherweise den Friedensnobelpreis in Reichweite. Putin hätte ihn nicht brüskieren wollen.  

Nun schickt Trump seinen Außenminister Rubio, den er im Wahlkampf schon einmal als „kleinen Mann“ herabsetzte. Die Sondergesandten Steve Witkoff und Keith Kellogg, beides keine professionellen Diplomaten, werden ebenfalls in der amerikanischen Delegation sein. Putin wird nun seinerseits eine russische Delegation mit Außenminister Lawrow, wie üblich, und seinem Außenpolitikberater Uschakow zusammenstellen. 

So denke ich am Vorabend des 15. Mai, doch Putin und Trump sind die beiden großen Unbekannten, die immer zu Überraschungen fähig sind. Die russische Delegation wird sogar auf einem niedrigen Level sein: „die dritte Garde“.

Trump ist klar, dass, wenn er nicht zugegen ist, auch Putin nicht kommt. Dennoch schaut die ganze Welt auf diese Konferenz in Istanbul, wo man am Mittag noch nicht weiß, ob überhaupt miteinander gesprochen wird. 

Das ermöglicht Putin einmal mehr, Selenski, den er hasst und loswerden möchte, aus dem Weg zu gehen. Selenski dagegen will sich in Istanbul konfrontieren mit der Person, die den Krieg sofort beenden kann. Das ist mutig und nicht übertrieben. 

Selenski antwortete umgehend auf Putins Konter zum europäisch-amerikanischen Ultimatum am 10. Mai für eine dreißig tägige Waffenruhe mit dem Vorschlag eines persönlichen Treffens in Istanbul. Es ist sein Vorschlag, den Trump guthieß. 

Das europäische Ultimatum ist am 15. Mai ausgelaufen. Für Russland sind Ultimaten „nicht akzeptabel“ (Peskow), schon gar nicht von Europäern. 

Die EU kündigt nunmehr das 17. Sanktionspaket an, vor allem gegen die sogenannte Schattenflotte, mit der Putin weiterhin die Kriegskasse füllt. Er macht sich über die Europäer lustig, diese „Vollidioten“, die sich mit den Sanktionen selber schaden. Das Verhältnis zu Europa wird immer aggressiver. 

Tatsache ist, dass Russland inzwischen gewappnet ist und Sanktionen umgehen kann, etwa das Ölembargo über China und Indien. Der Ölpreis bleibt indes eine Schwachstelle. 

Wird das Ultimatum für eine Waffenruhe mit amerikanischer Unterstützung aufrechterhalten und möglicherweise noch verschärft, abhängig von den Ergebnissen der Istanbuler Gespräche unter türkischer Vermittlung? Das ist die Frage. Wird Putin dann einlenken? 

Selenski wird dort sein, das ist sicher. Er besucht ohnehin Staatspräsident Erdogan in Ankara, der Weg nach Istanbul ist dann nicht mehr weit. Erdogan hat sich schon früher als Vermittler ins Spiel gebracht. Auch der brasilianische Staatspräsident Lula da Silva versucht Putin, mit dem er gute bilaterale Beziehungen unterhält, zu bewegen, nach Istanbul zu reisen. 

Russland will an die Istanbuler Gespräche im April 2022 anknüpfen, die gescheitert sind. 
Das ist bezeichnend. Damals ging es um die Neutralität der Ukraine und ihre militärische Wehrlosigkeit. Es wäre buchstäblich ein Kapitulationsfrieden geworden. 

Die Ukraine hat jedoch mit entscheidender amerikanischer Unterstützung weitergekämpft. Die Amerikaner können deshalb nicht sagen, es ist „nicht unser Krieg“. Die Realitäten auf dem Schlachtfeld sind hinzugekommen. Das ist ein entscheidendes realistisches Argument, an dem man in Verhandlungen nicht vorbeikommen wird. 

Klar jedoch ist, „es ist Putins Krieg“. 
Trump muss deshalb erkennen, dass „Putin ein Lügner ist“ (Selenski). 

Selenski will sich diesmal auf den kleinsten „gemeinsamen Nenner“ mit Putin verständigen. Das ist primär die dreißig tägige bedingungslose Waffenruhe und der Austausch der Kriegsgefangenen als Vorbedingung für echte Verhandlungen mit Delegationen und dafür ernannten Vertretern. 

Putin ist dafür, doch stellt er die Bedingung, dass keine westlichen Waffenlieferungen mehr erfolgen dürfen. Russland ist auf dem Schlachtfeld in der Offensive und fürchtet, dass sich die Ukraine in dreißig Tagen erholen könnte und die fragile Front, wo es im Zermürbungskrieg um kleine Geländegewinne geht, wieder zu verlieren. 

Die Angst ist aufseiten der Russen. Denn: Russland hat die annektierten Staatsgebiete militärisch noch nicht vollständig unter Kontrolle, und es ist absehbar, dass die Territorialfragen die heikelsten und schwierigsten für einen nachhaltigen Frieden sein werden. 

Putin hat nach Innen keine großartigen Erfolge vorzuweisen, außer riesigen Verlusten an Menschen und Material. Er wird deshalb keinen Zentimeter Boden preisgeben, vielmehr auf die de jure-Anerkennung der eroberten Gebiete, einschließlich der Krim, bestehen. 

Dem werden die Ukrainer de jure und die Europäer, die ein Kriegstribunal in Den Haag einrichten wollen, niemals zustimmen. 

Der Mythos der unbesiegbaren und überlegenen russischen Armee ist augenscheinlich gebrochen nach dem gescheiterten Regimewechsel in Kiew, vor Odessa, im Schwarzen Meer und anderswo. Die ukrainische Armee und ihre Soldaten werden weiterkämpfen. Wird aber die Ukraine auch ihre Demokratie bewahren können? 

Die Intransigenz Putins, der ständig aufs Schlachtfeld verweist, wird so erklärbar. Die Nervosität und verbissene Feindschaft, der Fanatismus Putins und das begründete Misstrauen der Ukrainer sind in diesen Tagen mit Händen zu greifen. 

Putin hat noch nicht gesiegt, und die Ukraine noch nicht verloren. Es geht gewissermaßen um alles, auf beiden Seiten. 

In dieser Situation, wo „jede Woche 5000 Soldaten sterben“, will Trump Verhandlungen erzwingen, am besten direkte Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Dann kann man sich endlich aus diesem Krieg zurückziehen. Doch so einfach liegt die Sache nicht. 

Russland versteht bisher unter ‚Verhandlung‘ nicht Kompromisssuche, sondern lediglich „Gespräche, um die eigenen Kriegsziele besser durchsetzen zu können.“ Der Kreml hat in den letzten Monaten „in keinem wichtigen Punkt nachgegeben.“ Das ist offensichtlich, ebenso wie die gebrochenen Waffenruhen, zuletzt am 9. Mai. 

Trump muss deshalb aufpassen, dass er nicht an der „Nase herumgeführt wird“ (Rüesch, NZZ, 14.5., S.16). Dabei könnte er über starke Sanktionen, zum Beispiel Sekundärzölle, die allein die USA durchsetzen können, und besondere Militärhilfen die Ukraine in eine bessere Position für die Verhandlungen bringen und das als Vermittler. 

Trump möchte auch in dieser Rolle als Friedensstifter nicht als Verlierer dastehen. In Syrien wird er vom Volk gefeiert. Das Land fordert er zur historischen Entscheidung auf, Israel anzuerkennen. 

Vielleicht kommt es nach dem für die Weltöffentlichkeit demonstrativen 15. Mai dazu, dass er sich von Putin getäuscht sieht. Vladimir Klitschko hält Trump für „fähig, in der Ukraine einen Frieden zu erreichen“ (Interview NZZ, 14.5., S.3). 

Frieden heißt für ihn vor allem „Garantien“. Die Ukraine hat gelernt, dass es gegen Russland sichere Garantien braucht, um Vertrauen aufbauen zu können. Vertrauen wiederum bedeutet Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Es braucht selbst historische Prozesse, um dies allmählich aufzubauen. Dies geht nur mit starken Verbündeten. 

Bezeichnend für Putins Verständnis von Verhandlungen ist, dass er auf den Gesprächen vom Frühling 2022 aufbauen will, wo Russland seine eigenen Eckpunkte im Communiqué deutlich machte. Rüesch behauptet a.a.O. , dass der Kreml drei Jahre später „noch gleich denkt“. Hinzugekommen sind die „Realitäten auf dem Schlachtfeld“, auf dem Russland angeblich „unbesiegbar ist“ Putin). 

Russland will keinen Frieden, man muss deshalb den Druck erhöhen, um zunächst zu einem Waffenstillstand und dann zu einem Friedensprozess zu kommen. Das heißt: Russland muss in der Ukraine militärisch zurückgedrängt werden oder Putin keine Aussicht mehr auf weiteren Erfolg haben. 

Diese These kann man bestätigen, wenn man die letzten drei Jahre Ukraine-Krieg verfolgt hat. Die ständige Wiederholung der prinzipiellen Positionen, die einander diametral entgegengesetzt sind, ist auffällig groß (Kleger, Gedankensplitter III und IV, 2023 und 2025).

Bildnachweis: IMAGO / ZUMA Press