Preiserhöhungsstrategie

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Am 18. Tag des Krieges konzediert der Chef der Nationalgarde Solotow, ein enger Vertrauter Putins, militärisch langsamer als geplant voranzukommen. Nichtsdestotrotz wird das Zerstörungswerk grösser und greift auf alle Landesteile des größten Landes in Europa aus, was unvorstellbar schien – eine irre Logik der Gewalt des Stärkeren.

Die Belagerung und Aushungerung der Städte erinnert ans Mittelalter. Ihre Zerstörung ist ein Zivilisationsbruch. Die Fluchtbewegung aus dem Land ist die größte seit dem 2. Weltkrieg. Die Verhandlungen, die am 14. März in die vierte Runde gehen, haben bislang keine Ergebnisse erzielt, sogar die Einrichtung von Fluchtkorridoren ist gescheitert. Vor allem Mariupol, die Hafenstadt am Asowschen Meer (440 000 Einwohner), benötigt dringend eine Feuerpause (Rotes Kreuz): „So sieht Apokalypse aus“.

Selenskyj arbeitet auf ein Spitzengespräch mit Putin hin, das „schwierig, aber notwendig“ ist. „Alle warten auf dieses Treffen“(Selenskyj). Nur von Putin sind irgendwelche Garantien zu erwarten, da er über alle wichtigen Entscheidungen verfügt. Das Außenministertreffen in der Türkei hat das allen deutlich vor Augen geführt.

Von außen gesehen kann es bei den antagonistischen Kriegszielen, die weiterhin mit größter Hartnäckigkeit verfolgt werden, keinen Kompromiss geben. Es geht nicht nur um Meinungen und um Streit. Beide Seiten wollen und müssen einen Krieg gewinnen, koste es, was es wolle. Die Ukraine will einen Waffenstillstand und den Abzug der russischen Truppen, Putin will die Krim als russisch und die beiden Volksrepubliken Luhansk und Donezk anerkannt haben. Das ist das Mindeste.

Putin will das Heft des Handelns in der Hand behalten, er zögert ein Treffen mit Selenskyj bewusst hinaus, bis seine Unterhändler positive Ergebnisse aus seiner Sicht vorlegen können, die inzwischen ihre Verhandlungen schon wieder auf den 15. März vertagt haben. Was sofort geschehen müsste, geschieht leider nicht sofort, so oft das westliche Staatschefs auch wiederholen.

Putin spielt auf Zeit. Wird er die Ost- von der Westukraine abtrennen können? Ein Landkorridor zwischen der Krim und dem Donbass ist angeblich schon unter russischer Kontrolle. Die Ukraine dagegen will eigenständig bleiben und kein Satellit Russlands werden. Die Möglichkeit der Neutralität wird von Selenskyj bereits eingeräumt, obwohl die angestrebte Nato-Mitgliedschaft Verfassungsrang hat.

Beide Seiten müssen mit jedem Tag im Krieg, der unvermindert weiterläuft, Fakten schaffen, um eine möglichst starke Verhandlungsposition zu erreichen. Am 14.3. fordert der ukrainische Außenminister Kubela noch einmal die Verstärkung der Sanktionen, vor allem ein Öl- und Gasembargo, damit Putins Kriegsmaschinerie nicht weiter finanziert wird. Er macht Deutschland schwere Vorwürfe.

In der vierten Woche des Krieges werden die Städte Charkiw, Sumy und Tschernihiw weiterhin bombardiert. Im Westen versucht man, in der Nähe von Liwiw, die Nachschublinien aus Rumänien und Polen zu unterbrechen. Der Krieg kommt der Nato immer näher. Die russische Armee geht derweil weiter vor: „Russland ist nie so stark und nie so schwach, wie es scheint“ (Bismarck).

Der symbolische Mittelpunkt des Angriffs wie der Abwehr, ist die Hauptstadt Kiew, in deren Vorort Irpin heftig gekämpft wird. Kann es überhaupt vor der militärischen Entscheidung in Kiew, das sich zur Festung ausgebaut hat, eine politische Entscheidung geben? Seit vielen Tagen findet dort ein Zermürbungskrieg nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Armeen statt.

Die USA und China sollen in Rom beraten haben. Worüber? Hat Russland China um Hilfe gebeten? Hilft China Russland, indem dieses Sanktionen umgehen kann? Die USA verurteilen China scharf, das wiederum die Falschmeldungen empört dementiert (14.3.). Zeiten des Krieges sind immer auch Zeiten gezielter Desinformation, und vieles spielt sich gar nicht in Europa ab. Wie bereiten sich die USA und China auf die künftige Weltordnung vor?

Wie soll künftig mit Mächten wie Russland, China, Saudi-Arabien, Iran, Venezuela, Indien (Hindunationalismus), Pakistan u.a. umgegangen werden? Dialog (Hermeneutik) und Härte (Militarisierung) werden uns in einer Zukunft der unfriedlichen Koexistenz unter dem Atomschirm noch viel mehr abverlangen: bezüglich Realpolitik und Verteidigung der Werte.

Die EU bereitet eben in Windeseile einen gemeinsamen Verteidigungsplan für eine Militärunion vor. Und Deutschland kauft F-35 Kampfjets, welche die alten Tornados ersetzen sollen, “ für die nukleare Teilhabe“ (Lambrecht). Das sind Worte und Projekte, die vor kurzem noch tabu waren. Putins Krieg wird rasend schnell zum Geburtshelfer einer neuen unsicheren Welt.

Bildnachweis: IMAGO / NurPhoto