Die letzten Sätze von „Krieg und Frieden denken I“ lauteten: Bis zu Friedensverhandlungen müssen wir weiterhin beides denken: die Zeit des Krieges und wie man heute Frieden im Ausgleich der Mächte macht (8. Mai 2024).
Krieg denken
Der Abnützungs- und Erschöpfungskrieg dauert unvermindert an, er kennt keine Pause und keine Festtage, nichts ist ihm heilig. An der überdehnten Front ist es für die ukrainische Verteidigungsarmee, die eroberte Gebiete zurückgewinnen will, prekär geworden aufgrund des Munitionsmangels und der fehlenden Rotation der Soldaten, während die Russen ohne Rücksicht auf Verluste alles hineinwerfen. Und das seit längerer Zeit. Die Zahl der getöteten oder verletzten russischen Soldaten wird von der britischen Regierung auf 465 000 geschätzt (Spiegel, 30.5.).
Dazu kommt der brutale Luftkrieg gegen die ungeschützte Großstadt Charkiv von russischem Boden aus. Um solche Angriffe, die sich auch vor der Stadt und Provinz Sumy anbahnen, abwehren zu können, ist ein Wechsel in der vorsichtigen Strategie Bidens notwendig, nämlich die Freigabe westlicher Waffen auch für Angriffe auf russisches Gebiet, wie auf der Krim, wo Flugfelder und Logistikstützpunkte mit ATACMS angegriffen werden.
Blinken hat bei seinem Besuch in Kiew im Mai implizit dazu die Zustimmung erteilt. Dies setzt natürlich auch Scholz unter Druck, der bisher dem erfahrenen Biden gefolgt war, Russland nicht unnötig zu provozieren. Er fürchtet eine weitere Eskalation, die zum Krieg der Nato gegen Russland führen würde, den er unbedingt verhindern will.
Russland seinerseits sieht sich bereits in diesem Krieg und stellt die ganze Bevölkerung darauf ein. Von einer „Spezialoperation“, von der die Menschen im eigenen Land möglichst nichts wissen sollten, ist man inzwischen weit entfernt. Rhetorisch und mental lebt man wieder im 2. Weltkrieg. Die annektierten Gebiete werden nicht zurückgeben. Es ist nicht verwunderlich, dass Putin Präsident Biden einem Präsidenten Trump vorzieht, weil er „berechenbarer“ ist. Die Eskalationsschraube kann sich also noch drehen, bis wir dann wirklich vor einer ’neuen Kubakrise‘ stehen.
Biden sprach ausdrücklich und zuerst vom drohenden dritten Weltkrieg, den er mit seinen Konditionierungen für den Waffengebrauch vermeiden will. Die Freigabe der F-16 Kampfflugzeuge, die bald – nach langer Ausbildung- in diesem Sommer zum Einsatz kommen werden, hatte er bereits beim G7-Gipfel in Hiroshima im Mai 2023 bekannt gegeben.
Die deutschen Leopard Panzer nach verpasster, gescheiterter Gegenoffensive im Sommer 2023 sind dagegen funktional weniger bedeutsam geworden (die schweren amerikanischen Abrams ohnehin). Dafür sind die amerikanischen Schützenpanzer Bradley für die ukrainischen Soldaten in ihrem Abwehrkampf umso wichtiger.
So reiht sich eine Kette gravierender militärpolitischer Fehlentscheidungen aneinander, die zur heutigen ernsten Situation geführt haben (siehe dazu auch die Blogs der letzten zwei Jahre).
Scholz will an den bisherigen Regeln und Vereinbarungen nichts ändern, was er bei einem Bürgergespräch während des Demokratiefestes in Berlin am 26. Mai noch einmal bekräftigte.
Macron, der lediglich rhetorisch drohen kann, ist währenddessen drei Tage auf Staatsbesuch in Deutschland. Es wäre Zeit, sich mit Scholz abzustimmen. In Fragen der Ukraine-Unterstützung liegen sie auseinander.
Es ist im Wahlkampfjahr jedoch unwahrscheinlich, dass Scholz von seiner besonnenen Linie, die mit der SPD abgestimmt ist, abrückt. Die Wahlplakate im Land hängen bereits. Die Zusammenhänge zwischen Innen- und Außenpolitik sind immer auch zu berücksichtigen, selbst wenn „Europa akut sterblich ist“.
In seiner Rede am 27. Mai in Dresden unterstreicht Macron noch einmal, die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Verteidigungsrahmens, der 1954 schon einmal im französischen Parlament scheiterte, als erste Priorität, nicht nationalistisch und nicht amerikaorientiert. Wie steht es aber tatsächlich um eine effektive gemeinsame europäische Sicherheitspolitik, die jetzt notwendig ist? Wann sonst?
Dass Selenski mangelndes Tempo bei den westlichen Waffenlieferungen beklagt, ist mehr als verständlich und nichts Neues. Der Zeitfaktor wird von außen systematisch unterschätzt. Der Zweckoptimismus vieler Militärexperten bei den westlichen Unterstützernationen nach den endlich freigegebenen amerikanischen Milliarden ist zudem leichtfertig. Die Menschen an der Front, die de facto in einem Stellungskrieg feststecken, sind nachgerade erschöpft.
Wozu ist die russische Armee fähig? Kann sie Charkiv erobern oder ’nur‘ zerstören so wie Mariupol, Grosny oder Aleppo, wie die zynische Alternative lautet. Die russische Armee kommt unter Einsatz einer enormen Menge von Artilleriegeschossen (4,5 Millionen Geschosse pro Jahr werden geschätzt) schrittweise voran. Die tschechische Munitionsinitiative trägt erst im Juni Früchte.
Es ist ein Artilleriekrieg mit großer russischer Überlegenheit, der am Boden infanteristisch (im Verbund der Waffen) gewonnen werden muss trotz der futuristischen Elemente im neuen Drohnenkrieg, bei dem die Ukraine durchaus Erfolge erzielt.
Auf jede neue Technologie wird sogleich reagiert, was die schwer berechenbare Dynamik des modernen Krieges ausmacht, der durch KI außer Kontrolle geraten wird. Zudem ist jeder Krieg ein Testfeld für neue Waffen. Unter Insidern ist vom weltweiten „Schlachtfeld der Technologien“ die Rede.
Der pure russische Terror nicht nur gegen die Energieversorgung, sondern auch die Zivilbevölkerung in den Städten und Dörfern dauert an: so gegen den Baumarkt am helllichten Tag am 25. Mai mitten in Charkiv. Aus den Bildern war einmal mehr nicht erkennbar, dass es sich um ein militärisches Ziel gehandelt hat. Die Russen verbreiten derweil, wie immer, ihre Lesart, dass es „zweckentfremdet“ ein Munitionslager gewesen sein soll.
Putin bietet angeblich Waffenstillstandsverhandlungen entlang den bekannten Frontlinien an und wirft dem Westen vor, solche zu verhindern. Ebenso bestreitet er Selenski und dem „Kiewer Regime“, wie es bewusst abwertend genannt wird, seine Legitimität, weil Selenski nach 5 Jahren keine Wahlen durchführen kann und muss, es herrscht Kriegsrecht. Das ist ein perfides Spiel von jemandem, der nie mit Selenski, den er kaum beim Namen nennt, sprechen wollte. Heute bezeichnet Selenski Putin als „Inbegriff des Bösen“.
Gleichzeitig versucht die russische Diplomatie alles, die Schweizer Vermittlungskonferenz auf dem Bürgenstock zu torpedieren. Deren diplomatischer Erfolg im Versuch, einen Friedensprozess wenigstens anzustoßen, besteht darin, zahlreiche wichtige Staatsgäste (160 wurden angeschrieben, 80 haben bisher zugesagt, die endgültige Liste wird kurz vor Konferenzbeginn bekannt) einzuladen, gewissermaßen als Ersatz für die dysfunktional gewordene Uno.
Eine erste große Enttäuschung war die Absage des brasilianischen Präsidenten Lula, die umso schwerer wiegt, weil Außenminister Lawrow der Schweiz vorwirft, dessen USA- kritische Friedensinitiative nicht zu berücksichtigen. Der Verhandlungsführer muss methodisch neutral bleiben, auch wenn er kein Neutraler ist: Die Schweiz steht auf der Seite des Völkerrechts.
Einige meinen, dass die Breite der Teilnehmer internationalen Druck auf Russland ausüben könne. „Die UN-Charta brennt wie Charkiv“ (Selenski). Wer versammelt sich dahinter, wer bleibt neutral? Treten neue Dualismen auf, etwa zwischen West und Ost, oder neue Polarisierungen?
Aus Europa heraus übersehen wir gerne andere Sichtweisen auf den Ukraine-Krieg und die Welt. Wir sollten politische Wirklichkeiten jedoch nicht heuchelnd überdecken, wenn es um die Welt in Stücken geht. Was das internationale Recht angeht, so sind wir von Illusionen befangen, hinter denen wir uns gerne verstecken oder genauer gesagt: beruhigen (siehe Toni Stadler, NZZ, 20.2.2024). Was ist nicht alles „vom Völkerrecht gedeckt“? Zwischen Völkerrecht und politisch-strategischen Fragen ist zu unterscheiden.
Frieden denken
Das Ziel müsste bescheidener und ambitionierter zugleich lauten, nämlich, dass die Ukraine und Russland wieder miteinander sprechen. Konkrete Vermittlungsaktionen, nicht Rhetorik sind gefragt, wenn Leute nicht mehr miteinander sprechen können.
Selenski will seinen 10 Punkte – Friedensplan etwas zurücknehmen und über die Rückgabe eroberter Gebiete zum Beispiel nicht sprechen, zur Erleichterung von Bundespräsidentin Amherd. Worüber muss und kann folglich zuerst gesprochen werden? Gibt es eine Art Drehbuch für die Konferenz? Russland behauptet, die Ergebnisse ständen schon fest.
Außenminister Cassis bleibt dabei, Russland an den Verhandlungstisch zurückzuholen. Er will Russland weiterhin offiziell einladen und hatte die Tür gegenüber Außenminister Lawrow nie zugeschlagen (NZZ, 27.5.). Offenbar sind sich die sieben Bundesräte diesbezüglich nicht ganz einig. Dabei geht es auch um die Ausrichtung der schweizerischen Neutralitätspolitik.
Auf China hoffte man, eventuell auch auf Präsident Biden, der zur selben Zeit in der Nähe bei einem G7- Gipfel in Italien weilt. Der Westen braucht dringend Führungsstärke, es wäre ein großer Fehler, wenn die Amerikaner auf dem Bürgenstock keine Vorschläge machen – „Applaus für Putin“, sagt ein verärgerter Selenski am 27. Mai in Belgien, das gerade dabei ist, 30 F-16 Kampfflugzeuge zu liefern.
Währenddessen droht Putin düster „kleineren Staaten“. Wie sollen ohne die reale Droh-Macht der USA Verhandlungen auch nur angebahnt werden können? Wie macht man Frieden? Auch darum ist ein heftiger Propagandakrieg entbrannt, und es ist schwierig geworden, noch nüchterne Diplomatie zu betreiben.
Bezeichnend für unsere Zeit des Krieges ist der Satz des finnischen Staatspräsidenten Stubb:
„Gerade führt der einzige Weg zum Frieden über das Schlachtfeld “ (FAZ, 10. Mai, S.6). Krieg im militärischen Sinne ist die Hölle, die sich nicht regulieren lässt trotz Genfer Konventionen, die ihn nach dem Zweiten Weltkrieg zu zivilisieren versuchten. Die Sowjetunion war dabei.
Diese Trotzdem-Sätze sind Sätze der Zivilität als Zuständigkeit für Zivilisationsprozesse. Was aber ist, wenn der global gewordene Krieg ein Zivilisationskrieg in verschiedenen Dimensionen geworden ist? Es gibt inzwischen viele neue Zustände zwischen ‚ Krieg‘ und ‚Frieden‘, welche
Demokratien destabilisieren.
Finnland hat mit 1300 Kilometer Grenze reiche schwierige Erfahrungen mit dem großen Nachbarn Russland. Alexander Stubb wird gefragt (a. a. O.), ob das „Einfrieren des Konflikts“ zwischen Russland und der Ukraine eine Lösung sein könnte. Für ihn ist Einfrieren der falsche Begriff, aber „man muss den Weg zum Frieden irgendwo anfangen.“
Da hat er recht. Dieser kleine große Schritt benötigt Überwindung, das heißt Mut, Geschick und Perspektiven gleichermaßen. Friedensstifter in Zeiten des Krieges leben gefährlich. Versuch und Scheitern liegen nahe beieinander:
„Der ukrainische Präsident hat zu einem Friedensforum in der Schweiz am 15. und 16. Juni geladen. Ich hoffe, dass so viele Staats- und Regierungschefs wie möglich teilnehmen werden und dass es zu einem Treffen mit Russland kommen wird. Das kann auch unterhalb des Radars geschehen “ (Stubb). Wird es noch einmal gelingen wie 1975 in Helsinki, die Sowjetunion und die USA an einen Tisch zu bringen?
Für Stubb gelten in diesem Fall vier Präliminarien des Friedens:
1. Territorium
2. harte Sicherheitsgarantien
3. Gerechtigkeit
4. Wiederaufbau
Strategisch war der Angriff für Putins Russland, der das ‚Kiewer Regime‘ in 72 Stunden stürzen wollte, ein totaler Fehlschlag. Er hat zur Natoisierung Europas geführt, indem er nicht nur Finnland und Schweden, sondern auch die Ukraine in Richtung Nato getrieben hat. Der Versuch, Frieden zu denken und konstruktiv wieder zu einer neuen Sicherheitsordnung in Europa zu kommen, wird unvermeidlicher Weise begleitet vom Kampf der Narrative, wer diesen zerstörerischen Krieg ausgelöst hat. Putin dämonisiert die Nato, wir dämonisieren Putin.
Die russländische Föderation ist in sich nicht stabil. Das Abdriften der Ukraine und die Probleme in Georgien, wo die jungen Leute nach Europa drängen, stellen sie auf die Kippe. Auch die Eigenständigkeitsbemühungen der autoritär regierten Länder in Mittelasien wie Kirgistan, Kasachstan oder Usbekistan weisen in Richtung Desintegration des riesigen Landes, das noch grösser werden möchte. Statt demokratischer Regionalismus/Föderalismus herrscht eine theologisch überhöhte autoritäre Vertikale der Macht, die eine lange und tiefe Tradition hat.
Der bessere Weg wurde von Jelzin aufgezeigt, um aus Russland einen normalen Nationalstaat zu machen. Das imperiale Gefüge ‚Russki Mir’, aus der Geschichte abgeleitet, ist dagegen ein gewalttätiger Anachronismus. Die Zeit der Imperien schien abgelaufen, obwohl Putin und Xi, je auf ihre Weise, sie mit neuen Koalitionen ideologisch und militärisch zelebrieren und gegenwärtig weltpolitisch gezielt ausbauen. Das wurde lange übersehen, auch von amerikanischer Seite.
Ihre gemeinsame Erklärung am 16. Mai in Peking mit der Stoßrichtung gegen die USA und dem Verweis auf historisch legitimierte Einflusssphären lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Wer sie gelesen hat, weiß jetzt Bescheid (von “ Pufferzonen“ und Abzug strategischer Waffen aus Europa ist die Rede). Das Militärmanöver gegen das wehrfähige demokratische Taiwan als „Test für eine Machtübernahme“ hat dies noch einmal anschaulich demonstriert.
Die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China wird wirtschaftlich und militärisch kontinuierlich ausgebaut. Xi wird in Taiwan eher einen Krieg beginnen, als er den Krieg in der Ukraine befrieden wird.
Eine von vielen Illusionen ist es zudem, zu glauben, dass ‚der Westen‘ die innere Stabilität der russischen Föderation garantieren kann. Auch zu große Nachgiebigkeit, sei es aus Ängstlichkeit oder Kalkül, ist keine Garantie dafür. Die wenigsten Imperien ziehen sich geordnet zurück wie das britische Empire, dessen Staffelstab nach dem 2. Weltkrieg die USA übernahm. Dass von Pax Americana gesprochen wird, ist ein Hinweis darauf, dass Friedenszeiten in der Geschichte oft kürzer sind als Kriegszeiten.
Russische Politiker, auch nach Putin, würden immer äußere Feinde für ihre inneren Probleme verantwortlich machen können. Es liegt nicht in der Macht des Westens, russische Existenz zu sichern oder auch nur in friedliche Bahnen zu lenken. Auf Zusammenbruchstheorien indes kann man nicht bauen, auf Bürgerkriege sowieso nicht.
Das weiß auch China, das technologisch zum modernsten Überwachungsstaat der Geschichte wird. Es ist an Stabilität interessiert. Frieden unter Bedingungen des potentiell global gewordenen Krieges, um eine neue Weltordnung zu sichern, wird schwierig. Wie wird diese Pax einst heißen?
Inhalte und Verfahren
Der Verhandlungsexperte Michael Ambühl (ETH Zürich) – er vermittelte in den Konflikten zwischen den USA und Iran sowie der Türkei und Armenien – sieht die Aufgabe auf dem Bürgenstock zunächst darin, eine sinnvolle Agenda zusammenzustellen, wichtige Fragen anzugehen und für eine Systematik von Nachfolgekonferenzen zu sorgen.
Das ist bei der sachlichen und zeitlichen Komplexität der Fragen leichter gesagt als getan, handelt es sich doch bei der oben geschilderten Ausgangslage um ein „fast unlösbares“ Problem (NZZ, 15. Mai, S.28). Prozedurale Vorschläge und inhaltliche Prioritäten sind jetzt zu formulieren.
Von einer eigentlichen „Friedenskonferenz“ kann in diesem Stadium noch nicht gesprochen werden, sondern höchstens von einer „Vorbereitungskonferenz„, die erst einmal international Klarheit über den Konflikt schaffen muss. Zu einer Annäherung der Zielsetzungen der nicht direkt Beteiligten kann es dabei sehr wohl kommen, was ein wichtiger Zwischenschritt wäre.
Das wiederum setzt eine „realistische Einschätzung der Lage“ voraus, der stets umstrittenen Königsdisziplin der Politik. Diesbezüglich gibt es eher zu viele als zu wenige Expertisen und Meinungen. Einmal mehr stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von Fachwissen und politischer Entscheidung.
Laut Ambühl könnte der Verhandlungsprozess drei Teile enthalten (wobei das problematische zeitliche Nacheinander noch nicht berücksichtigt ist) :
1. einen bilateralen Deal zwischen Russland und der Ukraine, der im Unterschied zu Minsk II strenge Regeln bei Vertragsverletzungen enthält.
2. Sicherheitsgarantien zwischen der Ukraine und dem Westen, die gegenüber dem großen Russland dissuasiv sind.
3. Eine Art Helsinki II, in das Russland eingebunden wird, als neue europäische Sicherheitsarchitektur.
Zwei besonders heikle Themen liegen noch dazwischen: denn was geschieht mit Gebieten mit russischsprachiger Mehrheit: Krim und Donbass?
Und zweitens: “ Es ist schwer vorstellbar, dass Moskau einem Deal zustimmt, in dem die Neutralität der Ukraine nicht ausdrücklich festgelegt wird.“ Ambühl verweist an dieser Stelle auf das Beispiel Österreich und das Moskauer Memorandum von 1955.
Helsinki II soll den Realitäten nach dem Mauerfall von 1989 Rechnung tragen. Es wird nicht mehr in Helsinki stattfinden, da Finnland inzwischen Nato-Mitglied ist. Es müsste von Bern und in Bern organisiert werden, sofern Russland die Schweiz als neutralen Vermittler anerkennt. Dafür sind freilich weitere Vorbereitungsschritte in wissenschaftlicher und prozeduraler Hinsicht notwendig. Die gegenwärtige OSZE ist dafür dysfunktional.
Ambühls hoffnungsvolle und zugleich konstruktive These ist, dass die produktive Diskussion einer neuen Sicherheitskonzeption den in sich verbissenen Kriegsparteien „die Gesichtswahrung erleichtert und damit die Chance erhöht, dass sie einem Deal zur Beendigung des Krieges zustimmen.“ Die Kraft von abgestimmten Verfahren allein wird dazu nicht reichen.
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