Kairos und Umsicht

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Die Nachfolge von Verteidigungsministerin Lambrecht, die nach 13 Monaten im Amt aufgab, musste schnell gefunden werden, und zwar noch vor der wichtigen Ramstein-Konferenz am 20. Januar. Bundeskanzler Scholz hatte lange an der unglücklich agierenden Ministerin festgehalten, die, wie er selbst, kein Verhältnis zur Bundeswehr und zu militärpolitischen Fragen hatte. Zuvor war die Juristin eine tüchtige Justizministerin.

Alles änderte sich schlagartig mit dem russischen Angriffskrieg am 24. Februar 2022. Jetzt mussten plötzlich unter dem Druck der Ereignisse weitreichende militärische Entscheidungen getroffen werden in einem Land, welches bisher die Ausfuhr von Waffen in Krisengebiete verbot. Die gutgemeinten Helme, die Frau Lambrecht sofort lieferte, nannte der polnische Ministerpräsident Morawiecki einen „Witz“. 

Kanzler Scholz, der vor kurzem noch die “ ausgezeichnete Verteidigungsministerin“ lobte, wurde und wird bis heute wegen seines Zögerns und Zauderns permanent kritisiert, von außen, etwa polnischer Seite scharf und unverhohlen, aber auch aus den eigenen Reihen der Koalitionsparteien von Grünen wie Liberalen. Sie sehen die Bremsen bei der notwendigen zeitnahen militärischen Unterstützung der Ukraine vor allem im Kanzleramt. Unterdessen ist auch Scholz zum ersten Mal (zu einem Fototermin) auf einen Panzer (Gepard!) gestiegen.

Seit der Annexion der vier ukrainischen Regionen im Donbass im September durch die russische Föderation ist der Krieg noch einmal gefährlich eskaliert. Aus russischer Sicht geht es nach den inszenierten Plebisziten seitdem um die Verteidigung Russlands, was Putin seinen Nachfolgern verfassungsmäßig vererben wird. 

Der Krieg ist objektiv zum Stellvertreterkrieg geworden: der westlichen Welt unter Führung der USA gegen Putins Imperialismus. Für Russland ist es ein Krieg gegen die Nato, welche die Ukraine militärisch entscheidend unterstützt („mit Waffen vollpumpt“) und als „Bollwerk gegen Russland“ benutzt, sich aber offiziell nicht als Kriegspartei versteht. Völkerrechtlich lässt sich so argumentieren, die harte politische Realität indessen sieht anders aus.

Am 18. Januar bei einer Gedenkveranstaltung an die 28monatige Belagerung und grausame Aushungerung von Leningrad im 2. Weltkrieg, dem heutigen Sankt Petersburg, spricht Putin inzwischen ausdrücklich von „Verteidigungskrieg“. Mehr als eine Million zivile Opfer fielen diesem Kriegsverbrechen 1941-44 in seiner Heimatstadt zum Opfer. Lawrow bemüht sogar den unsäglichen Vergleich der amerikanischen Bündnispolitik mit Hitler, was zeigt, wie gefährlich dieses politische Denken und seine verquere Logik ist. Er spricht von der „Endlösung der russischen Frage“.

Der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter, Oberst der Bundeswehr, sieht Deutschland nicht als „Kriegspartei“, wohl aber als „Kriegsziel Putins“ (ZDF, 14.1.2023). „Deutsche Panzer sind überlebenswichtig“, so wiederum der neue ukrainische Botschafter Makeiev in Berlin am 15. Januar 2023, nachdem das militärisch robuste Großbritannien 14 Challenger-Panzer, die dem Leopard ll an Qualität gleichkommen, liefert. 

Am 15. Januar erfolgt die heftigste russische Angriffswelle aus der Luft im neuen Jahr. Tags zuvor wurde ein neunstöckiges Hochhaus in der Großstadt Dnipro getroffen – mit 45 Toten, darunter drei Kinder. Eine Bewohnerin: „Was haben wir ihnen angetan!?“ Wie kommt es, dass man der Zivilbevölkerung so viel Leid zufügen kann? Der ganze Krieg wird so zu einem großen Kriegsverbrechen. Die Bilder sprechen doch auch für die russische Bevölkerung trotz überwältigender Staatspropaganda eine deutliche Sprache, während der Putinismus als System den Krieg offenbar als Dauerzustand benötigt, um die Diktatur aufrecht zu erhalten.

Makeiev spricht ausdrücklich von „Stellvertreterkrieg gegen Moskau“: Russland führt Krieg gegen „die ganze zivilisierte, demokratische Welt“. Zum Diskutieren bleibt keine Zeit mehr, bis zum 20. Januar (Ramstein) müssen die Entscheidungen – Diskurs und Dezision – fallen. Aus ukrainischer Sicht sind weder die Verteidigung noch Offensiven bei der Rückeroberung der verlorenen Gebiete ohne die durchschlagkräftigste Waffe moderner Panzer möglich. Und als Soldat möchte man nicht ohne gepanzerte Fahrzeuge an die Front. Darum das nun schon monatelange dringliche Verlangen nach Schützenpanzern. Wie konnte man es so lange überhören !?

Die Gratwanderung wird realpolitisch immer schwieriger, wenn es um die Lieferung schwerer Angriffswaffen wie Kampfpanzer geht. Der Kampfwert steigt damit enorm, allerdings müssen sie dann auch, was bei der langen Frontlinie herausfordernd ist, in ausreichender Zahl mit entsprechendem Unterhalt und Personal – jetzt und nicht erst im nächsten Jahr! – zur Verfügung gestellt werden, was einer riesigen logistischen Anstrengung bedarf.

Das alles stellt Deutschland vor heikle, auch industriepolitisch verbindliche Entscheidungen. Scholz, der sie verantworten muss, will sich verständlicherweise mit Biden als wichtigstem Partner in diesem neuen hybriden (Welt-)Krieg abstimmen, während europäische Partner, vor allem Großbritannien (mit seinem ‚Challenger‘) und Polen (das schon ‚Leo ll‘ hat), bei der Lieferung schwerer Panzer vorpreschen und damit die Richtung vorgeben.

Kairos und Umsicht – kann das zusammengehen bei schweren Entscheidungen unter großem Druck in unübersichtlicher Lage? Zum militärischen Kampf gegen Feinde gehört Entschlossenheit, trotzdem werden Menschen naturgemäß vorsichtig bleiben, aber zum ‚Team Vorsicht‘ wie bei einer Pandemie kann man bei Entscheidungen auf dem Gefechtsfeld bei einer dynamischen Entwicklung des Krieges nicht mehr gehören. 

Bei aller Umsicht beherrscht man jedoch die Handlungsfolgen nicht. Rück-Versicherung gibt allein noch das Bündnis, das freilich aus ganz unterschiedlichen Kräften, Prägungen und Mentalitäten besteht. Eine sicherheitspolitische Gesamtstrategie der Wertepartner gibt es nicht, oft nicht einmal eine nationale. Die kognitive Umsicht ist weder sachlich noch zeitlich weitreichend.

Stehen also im gegenwärtigen Konflikt die für die Ukraine entscheidenden Panzerlieferungen gegen diplomatische Aktivitäten für mögliche Friedensverhandlungen? Das wäre ein Missverständnis. Diplomatie ist immer nötig und als Laie nimmt man an, dass sie hinter den Kulissen im Gange ist. Diplomatie ist keineswegs verächtlich, aber der gewöhnliche Bürger weiß davon kaum etwas und kann wenig anstoßen, da die Außenpolitik keine gewöhnliche Sache der Demokratie ist, obwohl ständig (auf Werteebene) davon die Rede ist, sondern sie ist eher Angelegenheit einer engen Elitenkonkurrenz.

Nach dem bisherigen Kriegsverlauf, einschließlich bisheriger Verhandlungsangebote, ist inzwischen klar geworden, dass die Präliminarien des Friedens (in Anlehnung an Kants Friedensschrift von 1795) von ukrainischer Seite die folgenden sind:

– Abzug der russischen Armee,
– Kriegsverbrechen ahnden,
– Reparationen und schließlich:
– es darf strukturell keine Kriegsgefahr mehr von Russland ausgehen. 

Beim letzten Punkt haben die bedingungslosen Unterstützer der Ukraine, die eigenständige Widerstandsachse von Polen über Lettland, Estland, Litauen und Finnland, ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Ein Friedensvertrag, der seinen Namen verdient, darf nicht zum Vorwand für neue Kriege werden. Da sind wir dann – in Analogie zu Kant, der den Titel „ewiger Frieden“ ironisch meinte – bei den Definitivartikeln, die freilich in eine größere internationale Ordnung verbindlich eingebettet sein müssen. 

Wie die allerdings in Zukunft aussieht, ist eine offene intrikate Frage, bei deren Beantwortung man auch über Europa hinausblicken muss. Dafür müssten Biden, Xi, Selenski und andere in diesen Tagen in Davos – dem Ort des Speed-Datings- zumindest zu Gesprächen zusammenkommen. Die G20 ist indessen nicht präsent an diesem großen ‚Runden Tisch‘; Länder wie Indien und Südafrika zum Beispiel, die ins Boot zu holen sind, blicken skeptisch auf weitere Eskalationen.

‚Chronos‘ und ‚Kairos‘ heißen die beiden Götter der Zeit in der griechischen Mythologie. Kairos steht für Möglichkeiten und Chancen, die zu ergreifen sind, bevor sie vorbeigezogen sind. Das Schwierige, ja Zweideutige am Kairos, der entschlossenen Entscheidung bei einem günstigen Zeitpunkt, ist, dass sich hier „Zeit und Ewigkeit berühren“, so der Begründer der Existenzphilosophie Sören Kierkegaard.

Der Krieg schreitet auch im neuen Jahr voran und ein Ende, zumindest aus Putins Verhalten, ist nicht ersichtlich. Die fürchterliche Zerstörung des Landes geht weiter und mit jedem Tag erinnern die Kämpfe mehr an den Stellungskrieg im 1. Weltkrieg. Die zerstörten Städte Soledar und Bachmut, wo bald nichts mehr steht, stehen dafür. Die Verluste auf beiden Seiten sind immens und werden von Tag zu Tag grösser.

Umsichtige Realpolitik ist nicht bellizistisch. Jedes Nato-Mitglied, auch wenn es vorprescht wie Frankreich, Großbritannien und Polen auf ihre Weise, ist auf die Akzeptanz durch die USA angewiesen, da Europa sich nicht allein gegen Russland verteidigen kann (siehe FAZ, 18.1.2023, S.8, dem ich hier folge). Dieses Dilemma wird durch ein abgestimmtes Vorgehen entschärft. Deutschland ist gut beraten, dieser besonnenen Linie weiterhin zu folgen und bei aller Kritik nicht zum gesinnungstüchtig Getriebenen zu werden.

Putin muss damit rechnen, dass ihm die gesamte Nato entgegentritt, sollte er etwa Nachschublinien in Polen oder Rumänien angreifen. Präsident Biden hat Ende Mai in einem Beitrag für die ‚New York Times‘ unmissverständlich klargestellt:
1. Solange die USA und ihre Verbündeten nicht angegriffen werden, wird man sich nicht direkt am Krieg beteiligen. 
2. Die Ukraine soll nicht ermutigt werden, „Schläge jenseits ihrer Grenzen“ durchzuführen.

Die Reichweite der Himars-Raketen, die einen deutlichen Unterschied machen, wurde deshalb von 300 auf 80 Kilometer begrenzt (a.a.O.). Andere konkrete Einschränkungen von Anfang an selbst gegenüber den drängenden Polen und der flehenden Ukraine ließen sich aufzählen wie die Einrichtung von Flugverbotszonen oder die Entsendung von Kampfjets und anderes mehr. 

Sie waren militärisch-politisch wohlerwogen. Die Ukraine explizit für einen Angriff auf die Krim zu befähigen, könnte indes zu einer weiteren Eskalation führen. Putin (und nicht nur er!) werden die Krim „um jeden Preis“ verteidigen. Medwedew schwingt einmal mehr die ‚Keule'(!?) des Atomkriegs. Der Kriegseintritt der USA und der Nato ist mithin eine Abwägungsfrage, wie Putin auf die Preiserhöhungsstrategie reagiert.

Kalkuliert das Militär größeren Schaden, wenn es Nachschublinien in Polen oder Rumänien angreift, oder nimmt es sie hin? Tritt Belarus in den Krieg ein? Kein Beobachter oder Experte kann hundertprozentig sagen, wo und wie Putin selber die roten Linien zieht – militärisch nicht und politisch schon gar nicht.

Die Ukraine-Kontaktgruppe kommt am Freitag, den 20. Januar in Ramstein, der US-Airbase in Rheinland-Pfalz, zusammen. Zum ersten Mal ist der neue deutsche Verteidigungsminister dabei, der erst am Donnerstag vereidigt worden ist. Für Außenstehende ist er eine überraschende Besetzung, für den Berufspolitiker Scholz nicht.

Pistorius steht vor „gewaltigen Aufgaben“, was die lange vernachlässigte Bundeswehr betrifft, und er sieht Deutschland „indirekt am Krieg beteiligt“, wofür er sich freilich mit dem Kanzler, dem Richtliniengeber der deutschen Politik abstimmen muss, während Melnyk schon Kampfjets und Kriegsschiffe vom neuen Verteidigungsminister fordert.

Beim langjährigen Afghanistan-Einsatz, wo „der Westen am Hindukusch“ (so der damalige Verteidigungsminister Struck) verteidigt werden sollte und der erst kürzlich im Desaster endete, durfte nicht einmal von ‚Krieg‘ gesprochen werden. Scholz hat Pistorius, den er gut kennt als Konkurrenten um den SPD-Vorsitz 2019, als „politisches Schwergewicht“ geholt im SPD-Sinne – entgegen allen Paritäts- und regionalen Proporzbedenken.

Der ehemalige Innenminister von Niedersachsen ist kein Militär-, wohl aber ein Sicherheitsexperte. Immerhin kennt er die Bundeswehr und die Dienstgrade: Der ‚Diener‘ (Minister, ministrare) des Staates hat „gedient“. Vor allem aber ist er verwaltungs- und organisationserfahren – Politik als Verwaltung und Organisation! – und als Person, die eine klare Sprache spricht, durchsetzungs- und nervenstark.

Diese Eigenschaften benötigt er jetzt im Amt nur schon für die Hausaufgaben, wenn die Bundeswehr neu aufgestellt werden soll. Geld allein, auch 300 statt 100 Milliarden Sondervermögen genügen dafür nicht. Es geht primär „um die Schnelligkeit, Probleme zu lösen.“

Die Entscheidung zur Panzerfrage sollte der Kanzler selbst am 18. Januar am Weltwirtschaftsforum in Davos verkünden, wo er von der neuen „Deutschlandgeschwindigkeit“ sprach. Dabei drehte sich alles um den Investitionsstandort und die Klimaneutralität. Die Erwartungshaltung bezüglich der Panzerfrage wurde jedoch enttäuscht. Unterdessen hat er mit Präsident Biden telefoniert.

Das Ergebnis der Absprache werden wir in Ramstein erfahren. Scholz wird dem Export des Leopard ll zustimmen unter der Bedingung, dass auch die Amerikaner Panzer liefern, heißt es Die Amerikaner indessen haben das Gewicht, am Schluss sowohl militärisch wie politisch für pragmatische ‚Mischlösungen‘ zu sorgen, während Bundeskanzler Scholz zurecht die Verantwortung nicht allein übernehmen kann. Er fürchtet sich vor weiteren Eskalationen.

Am selben Tag spricht Selenski eindringlich in Davos, und zwar nicht zufällig über die neue Zeitdramatisierung: er spricht den Zeitdruck an, unter dem heute (kaum verantwortbare) große Entscheidungen stehen, und fügt den vielen internationalen Krisen in der fragmentierten Welt noch eine tiefere Krise -: die Zeitkrise, hinzu, wenn der Kairos nicht begriffen wird. 

Die zivilisierte Welt müsse lernen, schneller zu reagieren und nicht länger zögern: „Tragödien überschlagen sich. Tyrannei überholt die Demokratie“(Selenski). Die ausreichende Bedenk- und Gesprächszeit gerät dabei unter die Räder. Die nötige neue Robustheit muss deswegen umsichtig und selbstkritisch bleiben, sich gewissermaßen selbst zivilisieren. 

Die Zeit, die sich die freie Welt nimmt (Zeit als Freiheit), wird von Terroristen genutzt, welche die Regeln brechen, so Selenski. Die Welt habe zugesehen, als Putin (mit viel Zustimmung im eigenen Land!) 2014 die Krim annektierte. In der Ukraine dagegen wurde und wird schnell gehandelt.

Um den Krieg gegen Putin zu gewinnen, müsse man international noch schneller handeln, so lautet der Appell. Der Ereignis- und Erwartungsdruck im globalen Kontext ist enorm. Selbst das Wort ‚Krise‘ scheint dafür zu harmlos, wenn es um die Zeit (als Problem der Moderne) und den Handlungsmut für starke Entscheidungen geht.

Die Bühne für die ‚logische‘ Panzerentscheidung über die Lieferung der Schützenpanzer (Bradley, Stryker, Marder u.a.) hinaus wird die Ramstein- Konferenz am 20. Januar werden. Der neue deutsche Verteidigungsminister muss am Vorabend dafür noch vorbereitet werden (Briefing). 

Eine Einarbeitungsphase oder Schonfrist hat er nicht. Der amerikanische Verteidigungsminister Austin, der ehemalige General, bringt am Donnerstag bereits die Botschaft mit, dass die USA ihre schweren Panzer Abrams, deren Ausbildung und Wartung zu kompliziert sei, nicht bereitstellen werden. Oder geht es darum, diesen „Technologietransfer“ zu vermeiden? (Wanner). Dafür werden quasi als Kompensation 90 Stryker- und 59 Bradley-Schützenpanzer geliefert, 40 deutsche Marder kommen hinzu.

Deutschland indes kann andere Länder wie Polen (das auch ohne deutsche Genehmigung liefern würde, so Morawiecki), Litauen und Finnland nicht länger daran hindern, den modernen Leopard ll – Panzer an die Ukraine zu liefern. Der Generalsekretär der Nato Stoltenberg sprach sich in Davos bereits vehement dafür aus, er sprach geradezu enthusiastisch von einem „Kampf für die Demokratie“ und selbst das EU-Parlament stellt sich dahinter, dass zudem ein Sondertribunal gegen die russische Führung einleiten möchte.

Pistorius weiß am 19.1. noch nichts vom Junktim „Leopard/Abrams“: „Das habe Scholz mit Biden erörtert“, sagt er im deutschen Fernsehen. Scholz muss grünes Licht geben für die Panzerlieferungen. „Großbritannien und Polen würden ohnehin eine Sonderrolle spielen“. Für Deutschland, das an dritter Stelle bei den Waffenlieferungen steht, ist die Abstimmung mit den USA, „unserem stärksten Verbündeten“, nötig. 

Für so weitreichende Entscheidungen wie beim Leopard müsse man sich eben „Zeit nehmen“, meint auch Pistorius. Gute Gründe dafür und dagegen müssen abgewogen werden können. In Ramstein stellt er kein einheitliches Meinungsbild fest. Man müsse aber „vor der Lage sein“, um dann schnell entscheiden zu können. Deutlich geworden ist für ihn, der kein Militärstratege ist, nur die Priorität der Luftabwehr. Für die Leopard-Panzer vergibt er vorerst einen Prüfauftrag.

Der amerikanische Verteidigungsminister Austin spricht am 20. Januar von einem „crucial moment“: „Die Geschichte sieht uns zu“. Die Geschichte wird zum Gott, früher war es der wirkende Gott, heute der ‚Zuschauer-Gott‘ als Legitimation. Für Austin ist es nicht die Zeit, auf die Bremse zu treten, sondern einen Gang hochzuschalten. Wie? Von der inzwischen 8. internationalen Konferenz der 50 Unterstützerländer, welche die USA als Format ausrichten, werden „starke Entscheidungen“ (Selenski) erwartet: „Die Zeit (im Sinne von Chronos, H.K.) bleibt eine russische Waffe.“ Letzteres ist leider richtig.

Für eine erfolgreiche Gegenoffensive rechnet der ukrainische Generalstab mit 300 Panzern. Die Industrie könnte 100 liefern, heißt es. Welche Möglichkeiten allerdings Deutschland hat – von der Industrie wie von den Beständen der Bundeswehr her, die wenig Spielraum hat, – wird sich zeigen.

Bildnachweis: IMAGO / Mike Schmidt