Am 7. März sind die Kämpfe vor Kiew angekommen, die Vororte Irpin und Butscha werden verstärkt beschossen. Die Einnahme der Hauptstadt als Schlüsselschlacht und die Auswechslung der Regierung ist das Hauptziel von Putins Krieg, vorher wird man mit ihm nicht wirklich reden können.
Auch am 7. März wird verhandelt, um eine Waffenruhe für die Einrichtung humanitärer Korridore zu erreichen. Das ist dringlich. Die Städte werden umzingelt und eingeschlossen. Das Schlimmste steht noch bevor. In Syrien hat Putin, offiziell im Krieg gegen islamistische Terroristen, seit September 2015 neue Waffensysteme getestet – unter Inkaufnahme größter Zerstörungen in Aleppo und Idlib, darunter Schulen und Kliniken. Für Putin war diese Strategie erfolgreich: Russland ist zum Machtfaktor in der Region geworden, und die Regierung Assad sitzt fest im Sattel. Diese Auseinandersetzung mit den USA hat Putin gewonnen. Was wird, wenn Putin wieder gewinnt?
Am Wochenende wurde auch das mächtige China als Vermittler ins Spiel gebracht. China betrachtet Russland als „wichtigsten strategischen Partner“. Das ist politisch und nicht wirtschaftlich gemeint. Russland und China, die sehr verschieden sind, es sei nur an den Ussuri-Konflikt 1969 erinnert, einigt die Rivalität mit den USA. Deshalb laviert China und spricht bewusst nur vom „Ukraine- Konflikt“ und nicht von Krieg.
Es handelt sich sozusagen um eine russlandfreundliche Neutralität. Sorgen bereitet dem großen Land, in dem gerade der Volkskongress tagt, die weltwirtschaftliche Entwicklung und das eigene Wachstum. In die Rüstung wird aber weiterhin mit einem Wachstum von 7% massiv und gezielt investiert mit dem Ziel, Kriege führen zu können. Rüstungskontrolle wäre weltpolitisch die wichtigste Zukunftsaufgabe, wenn die Menschheit noch eine Zukunft haben soll.
Die Ukraine klagt Russland für die Planung eines Völkermordes an. Am 7. März beginnen die Verhandlungen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der höchsten Gerichtsbarkeit der UN, nicht zu verwechseln mit dem Strafgerichtshof, der Kriegsverbrecher im Jugoslawienkrieg verurteilt hat. Das hat im Moment lediglich symbolische Bedeutung, Recht muss man auch durchsetzen können, vor allem Völkerrecht. Russland hat die Teilnahme an der Anhörung bereits abgesagt, was Bände spricht. Von dieser Seite wird es also keine Sofortmaßnahmen zur Beendigung des Krieges geben.
Putin hat im Syrienkrieg, der nach 11 Jahren immer noch im Gange ist, viele neue Waffensysteme ausprobiert. Seine Kriegsführung gegen Aleppo und Idlib sehen wir jetzt wieder im neuen Krieg. Die Strategie ist für ihn aufgegangen: Russland ist der Machtfaktor in der Region geworden, und Assad sitzt fest im Regierungssattel. Diese Auseinandersetzung mit den USA trotz der roten Linien, von denen Präsident Obama gesprochen hat, hat Russland gewonnen. Über die Fehler der USA spricht im Moment niemand öffentlich, da wir alle auf ihren Schutzschirm angewiesen sind.
Die USA wurden als schwacher Akteur wahrgenommen, der selbst bei Einmischung in die eigene Demokratie (bei den Wahlen!) nichts gegen Russland unternommen hat. Die amerikanische Politik gegenüber Russland ist seit 2008 ein Desaster, was das Monstrum Putin nährte, denn dieser versteht nur die Sprache der Härte. Trump wollen wir erst gar nicht erwähnen. Er und sein strategischer Berater Steve Bannon, ein ‚ politischer Krieger‘, waren (und sind) Putin-Fans. Falls der notorische Lügner dies als Fake News bezeichnen sollte, das Schreiben an Putin von 2007 liegt vor.
Aus diesen Gründen hielt Putin Biden für einen schwachen alten Mann. Das ist seine zweite politische Fehlkalkulation neben der Unterschätzung der demokratischen Regierung Selenskyj. Polen wiederum, der engste Verbündete der USA in Europa, ist in jeder Hinsicht an der Front, nicht zum ersten Mal in der Geschichte. Regierung und Bevölkerung wissen, was das heißt. Polen soll russische MIG’s an die Ukraine liefern und dafür amerikanische Kampfjets bekommen. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Sie ist riskant, aber vielleicht notwendig.
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