Amerikanische Friedensdiplomatie

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Riad I am 17. Februar war der Anfang der Normalisierung in den diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Russland nach drei Jahren Eiszeit – Krisenkommunikation auf höchster Ebene. Sie ist nötig, bedeutet aber nicht automatisch gute Verhandlungen.

Dieser Anfang sollte zugleich der Startpunkt für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg werden. Das ist Trumps ehrgeizigstes außenpolitisches Projekt, das er schon im brutalen Wahlkampf gegen Biden ankündigte, dem er gleichzeitig vorwarf, „die Nation in den dritten Weltkrieg zu führen“. 

Für Präsident Trump ist es „ein sinnloser Krieg“, der „nie hätte ausbrechen dürfen“ und uns in den „heutigen Schlamassel“ gebracht hat. Er sieht sich als „Friedensstifter“ und will einen „großen Deal“ mit Putin, dem er vertraut, erreichen. 

Die Schuldfrage steht für ihn nicht im Vordergrund. Es ist nicht klar, wem er tatsächlich die Schuld für den (verlorenen) Krieg zuschreibt: den Nato-Ängsten Russlands, den damaligen führenden europäischen Politikern, Biden oder Selenski? Oder allen zusammen? „Es braucht immer zwei“ (Trump), einen „Interaktionsprozess“ (Kissinger). 

Sicher ist, dass er Russland nicht als Aggressor sieht und auch nicht so bezeichnet. Das ist eine Umkehrung der Täter-Opfer-Beziehung, die für Trump wiederum eine Voraussetzung für Verhandlungen mit Putin ist. 

Putin andererseits hat Selenski und die europäischen Staatschefs nie als ebenbürtig betrachtet. Er wollte, wenn überhaupt, nur mit dem amerikanischen Präsidenten verhandeln, da er sich auf der großen Weltbühne sieht, wohin ihn Trump zurückgebracht hat. 

Biden bezeichnete ihn ‚undiplomatisch‘ (wie Selenski) als „Killer“. Mit Killern verhandelt man nicht. Oder doch!? 

Sicher ist auch, dass es für Trump einfacher ist, mit Russland zu verhandeln als mit Selenski, der nicht kapitulieren will. Für Verhandlungen sind indes „Kompromisse von beiden Seiten“ nötig (Rubio). Trump sieht sich nicht auf der Seite Russlands, sondern in der Mitte zwischen Russland und der Ukraine. 

Vor Riad II am 11. März , wo sich Außenminister Rubio und Sicherheitsberater Waltz mit ukrainischen Unterhändlern zusammensetzen, erwartet er „Großes“. Selenski reiste einen Tag früher an, um den saudi-arabischen Kronprinzen zu treffen.

An den Verhandlungen am Dienstag in Dschidda nimmt er nicht teil, dafür sein wichtigster Mann in der Präsidialregierung Jermak, der schon bei den Bürgenstock-Verhandlungen federführend war. Inzwischen ist Saudi-Arabien die ’neue Schweiz‘ geworden, was bezeichnend ist. 

Riad II

Die Amerikaner erwarten, dass das 

– Rohstoffabkommen unterzeichnet wird, 
– ukrainische Gebietsabtretungen zugestanden werden, überhaupt „Zugeständnisse“, 
– die Ukraine eine Waffenruhe in der Luft und zur See vorschlägt, 
– Gefangenenaustausch als vertrauensbildende Maßnahme, 
– Selenski möglicherweise zu den Wahlen nicht mehr antritt. 

Sie geben den Takt vor, andere sprechen von Erpressung. Selenski, der nicht kapitulieren will, ist unter Druck. Er hat nicht mehr viele Karten und hält sich als Person im Hintergrund. Von russischer Seite aus wird er international gezielt diskreditiert, nicht das erste Mal, aber diesmal besonders hart und vernichtend. 

Der ukrainische Verhandlungsführer Andrij Jermak, Jurist und Chef des Präsidialamtes, wird von Außenminister Shiba und Verteidigungsminister Umjerov begleitet. Er bezeichnet den Auftakt am 11. März als „sehr konstruktiv“, dem „Waffenstillstand sei man so nah wie noch nie“. 

Professionelle Verhandlungsteams müssen zwischen der persönlich-emotionalen und der sachlichen Ebene unterscheiden können, außerdem haben sie Bedenkzeiten und müssen nicht sofort und emotional entscheiden wie die Chefs. 

Zu welchen Konditionen allerdings verhandelt wird, ist freilich die Frage. Die Gespräche in Dschidda am Roten Meer müssen zu konkreten Ergebnissen führen, mit denen der Unterhändler Steve Witkoff, der ebenfalls zugegen ist, nach Moskau reisen kann, wo er am 11. Februar bereits ein Arbeitsverhältnis zu Putin aufgebaut hatte. Das sind erste diplomatische Schritte. 

Witkoff wird dann mit den dortigen Ergebnissen von Moskau wieder Trump informieren. Danach erst kann es zu Riad III in der Hauptstadt, zum Spitzentreffen zwischen Trump und Putin, kommen. Auf Überraschungen von Trump ist zu setzen, positive wie negative sind möglich. 

Kompromisse sind nicht prinzipiell ausgeschlossen (1), ebenso wie schmerzhafte Zugeständnisse für die Ukraine (2) wie möglicherweise auch militärische Drohungen gegenüber Putin, den ukrainischen Verteidigungskrieg noch wirksamer zu unterstützen (3). 

Wenn man in wirkliche Verhandlungen geht, dürfen alle drei Wege (1,2,3) nicht von vornherein ausgeschlossen werden, sonst machen sie keinen Sinn. Aber die realen Bedingungen, unter denen sie stattfinden, sind zweifelsohne außerordentlich schwierig. 

Vorurteile von außen sollten sie nicht negativ belasten. Deshalb folgen wir so objektiv wie möglich den einzelnen Schritten und ihren Bedingungen, bevor wir vorschnell und einseitig wertende Urteile fällen.

Hintergrund ist auch, dass die Amerikaner in Kiew schon Gespräche geführt haben mit früheren ukrainischen Staatspräsidenten anstelle von Selenski wie Julia Timoschenko (2005 – 2007) oder Petro Poroschenko (2014 – 2019).

„Trump handelt nicht im Interesse Russlands“, so der Oligarch Poroschenko. Beide Persönlichkeiten sind in der Ukraine diskreditiert, während Selenskis Zustimmungswerte steigen. 

Die Amerikaner möchten wohl jemanden einsetzen, der den Krieg schon verloren gibt, wie sie selbst, und möglicherweise von Russland akzeptiert wird. Wer den Krieg verloren gibt, wird zu den größten Konzessionen bereit sein – in vorauslaufender Anpassung, das Mitläuferproblem. In der Bevölkerung sind das die „Wartenden“. 

Russland ist derweil in der Grenzregion Kursk in der Offensive. Das im August 2024 überraschend schnell eroberte russische Gebiet von Sumy aus sollte der Ukraine als Faustpfand für Verhandlungen dienen. Im März 2025 wird dieses Faustpfand aufgrund der russischen Großoffensive täglich kleiner. Analysten schätzen, dass zwei Drittel des eroberten Territoriums wieder verloren sind. Am 13. März wird Sudscha eingenommen. 

Russland führte den Krieg von Anfang an gegen das sogenannte „Kiewer Regime“, das als nazistisches „Bandera-Regime“ dargestellt wird. Man glaubte es mit einer schnellen „Spezialoperation“ beseitigen zu können. Diese Strategie ist gescheitert. „Entnazifizierung“ und „Entmilitarisierung“ der Ukraine sind gleichwohl erklärte Kriegsziele geblieben. 

Dank des überraschend erfolgreichen Widerstands der Ukrainer mit amerikanischer Unterstützung konzentrierte sich das russische Militär schließlich auf den Donbass, der auch nicht hundertprozentig unter russischer Kontrolle ist. 

Wie es in diesen annektierten Gebieten, die Russland völkerrechtlich anerkennen lassen will, weitergeht, ist wohl eine der schwierigsten Fragen eines künftigen Friedensprozesses. Dauerhafte Ruhe ist kaum vorstellbar. 

Von „Krieg“ redet man in Russland offiziell noch immer nicht, obwohl faktisch auf Kriegswirtschaft umgestellt worden ist und man einen offenen Propagandakrieg gegen den Westen, einschließlich hybrider Aktionen, führt. Der Krieg seit dem 22. Februar 2022 kennt verschiedene Etappen. 

Wir sind wieder einmal in einer entscheidenden Situation, bei der es auf schnelle Entscheidungen und richtiges Handeln verschiedener Akteure ankommt. 

Denn die Kriegshandlungen gehen im März 2025 auf beiden Seiten massiv weiter: in Kursk, auf Raffinerien im russischen Kernland und sogar auf Moskau. Noch stärker mit Drohnen denn je.

Russland setzt auf Offensive und die maximale Niederlage. Hardliner und Kriegsblogger unterstützen es dabei. Sie wollen das Momentum nutzen. 

Bezeichnenderweise in der Nacht vom 10. auf 11. März erlebt die Moskauer Bevölkerung den heftigsten Drohnenangriff seit Kriegsbeginn, dem unmittelbar ein Gegenschlag auf Odessa folgt. 

Die Ukrainer demonstrieren den Amerikanern, dass sie militärisch weiterhin handlungsfähig sind; ausgerechnet der Cousin von J.D. Vance, der in der Ukraine gekämpft hat, bezeichnet die amerikanische Regierung als „Putins nützliche Idioten“ (im Pariser ‚Figaro‘). Schon Lenin, von dem dieses Wort stammt, war ein rücksichtsloser Meister darin. 

Der Kampfgeist und die Opferbereitschaft der Soldaten in der Ukraine sind nicht verschwunden trotz großer Personalsorgen. Bei aller Waffentechnologie und allen Verhandlungen werden die Kriege von ihnen am Boden gewonnen oder verloren, wobei die Drohnenpiloten eine immer größere Rolle spielen. Bei der Ukraine geht es akut um nicht weniger als das existenzielle Überleben als Land. 

Auf der anderen Seite wird in Russland, ja sogar in der Duma gefordert, die Oreschnik-Rakete einzusetzen. Die Ultranationalisten und politischen Krieger setzen Putin unter Druck wegen seiner Annäherungen an Trump und die Amerikaner. 

Die internen Differenzen bei allen drei Verhandlungspartnern sind ein unbekannter Faktor. Darüber wissen wir zu wenig und zu wenig Genaues. 

Gezielt wird während der Verhandlungen in Saudi-Arabien der Krieg noch einmal auf dem Schlachtfeld gesteigert und in den Worten der Propagandisten eskaliert. ‚Strategen‘ und Dealmaker‘, ‚Falken‘ und ‚Beschwichtiger‘ gibt es auf allen Seiten. 

Am Abend des 11. März hören wir, dass die USA die Waffenlieferungen wieder aufnehmen und Geheimdienstinformationen wieder austauschen. Anderntags bestätigte der polnische Außenminister Sikorski, dass sie das vorhergehende Niveau erreicht haben. Die ukrainischen Soldaten atmen auf.

Der Weltpolizist hat keinen Plan 

Witkoff wird nun mit dem amerikanisch-ukrainischen Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe nach Moskau reisen. Der Kreml verhält sich zunächst abwartend und hat keine Eile. Putin ist ähnlich unberechenbar wie Trump. 

Er kann den Vorschlag gutheißen und seinerseits mit eigenen Forderungen kombinieren, aber er kann ihn auch ablehnen, was für viele wahrscheinlich ist. Leise Hoffnungen mischen sich mit großen Zweifeln. 

Ebenso interessant wie Putins Antwort und die amerikanische Reaktion darauf, ist die Reaktion der USA auf die polnische Forderung nach Stationierung von Atomwaffen auf polnischem Territorium. 

Es ist ein Test zum richtigen Zeitpunkt jenseits des großen aufgeregten Brimboriums. Aus der Sicht Russlands wäre dies ein Sakrileg. Die USA andererseits wären wieder voll im europäischen Boot. Ende Juni bei der Nato-Tagung in Den Haag werden wir es verbindlich erfahren. Auch Deutschland mit dem neuen Kanzler Merz will endlich gut dastehen. 

Die amerikanische Diplomatie ist schwierig und gewagt.

Der Weltpolizist hat keinen Plan, alles ist mit der heißen Nadel gestrickt und situativ auf den Moment bezogen. Wie sollte es in der heutigen Weltunordnung auch anders sein? (Atomgespräche mit dem Iran, Halbleiter-Technologie in Taiwan, Panama, Grönland…). 

Wenn die USA für (und mit) der Ukraine verhandeln, müssen sie auch die Verantwortung für die russischen Vorschläge übernehmen. 

Einen größeren Plan kann es nicht geben. In der Realität (der internationalen Politik ohnehin) gibt es vielmehr mehrere widerstreitende ‚Pläne‘ und Akteure, die etwas vorantreiben wollen. Die Entscheidungen, die dann fallen, sind wesentlich situativer und zufälliger und folgen keiner konsistenten Linie.

Noch bevor Witkoff mit Putin gesprochen hat, kursiert am 13. März bereits das Statement seines langjährigen außenpolitischen Beraters Juri Uschakow, dass das Angebot einer Waffenruhe lediglich der ukrainischen Armee „eine Atempause“ verschaffen würde, sie hingegen an einer „langfristigen Friedensregelung“ interessiert seien, welche die „legitimen Interessen Russlands“ berücksichtigt. Das haben wir auch schon von Lawrow gehört. Wird Putins Njet kategorisch sein?

Putin sieht man gleichentags in Kursk im militärischen Tarnanzug auf Frontbesuch, was selten ist. Nach Waffenruhe sieht es nicht aus. Es erinnert an seinen Satz, dass Russland auf dem Schlachtfeld unbesiegbar ist. Er nutzt die Schwäche des Westens.

Kann ihn Trump stoppen?


Bildnachweis: IMAGO / ZUMA Press Wire