Zivilisation
22. August 2022
Das Verb ‚zivilisieren‘ (civiliser) steht nicht nur begriffsgeschichtlich vor dem Nomen ‚Zivilisation‘, das im französischen 18. Jahrhundert aufkommt. Es wird heute häufiger, bisweilen sogar inflationär gebraucht und ist unverdächtiger, denn es bleibt im Allgemeinen mit einer guten Absicht verbunden (den Kapitalismus zivilisieren zum Beispiel), während heute das große Wort Zivilisation gleich in den „Krieg der Zivilisationen“, den Kampf um die Kulturen, Werte und Identitäten hineingezogen wird.
Zivilisation ist inhaltlich nicht nur nicht festgelegt, sie wird auch instrumentalisiert. Die „Rettung der Zivilisation“ kann dabei ganz Verschiedenes bedeuten, weshalb bei ihrem Gebrauch Vorsicht am Platze ist, vor allem in politischen Zusammenhängen. Der asymmetrische Gegenbegriff zur Zivilisation (Koselleck., Schmitt) ist die Barbarei. Das gilt für jede Zivilisation. Je höher und mächtiger der zivilisatorische Anspruch, desto heftiger kann der Gegensatz werden Dafür scheinen Zivilisationen besonders anfällig zu sein ( siehe nur den Gebrauch von „amerikanischer Zivilisation“ bei Trump und „russischer“ oder „eurasischer“ Zivilisation bei Putin sowie zahlreichen geopolitischen Ideologen), weshalb kultur- wie politiktheoretisch eine differenzierte Herangehensweise zu empfehlen ist.