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Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Artikel und Aufsätze von mir.

Diskursbegrenzung und Diskursvergiftung 

Das Indiskutable gibt es seit je, es ist keine moderne Errungenschaft; ebenso wie es keine moderne Errungenschaft ist, das Indiskutable, das Heilige oder die Religion abgeschafft zu haben. Die Moderne und die historische Nach-Aufklärung kennt – bei aller Diskussion immer und überall – die Diskursbegrenzung und insbesondere, noch auffälliger, vielfältige und zunehmend raffiniertere Formen der Diskursvergiftung. Darauf wollen wir im Folgenden in einem ersten analytischen Durchgang eingehen.

Zwischen Toleranz und Entschiedenheit. Toleranzedikt als Stadtgespräch 2008 – 2023ff 

2008 sollte für die Wissenschaftsstadt Potsdam ein „neues Toleranzedikt“ geschrieben werden. Zu Jahresbeginn rief der Oberbürgermeister im Nikolaisaal dazu auf. 

Die inspirierende Steilvorlage aus der Geschichte bildete das historisch bekannte Edikt von Potsdam 1685, das zwar kein Toleranzedikt war – das Wort kommt in den 14 Artikeln auch gar nicht vor! –, das aber im Volksmund so heißt. 

Kissingers Lieblingskommunist

Am 22. September ist der ehemalige kommunistische Spitzenfunktionär Giorgio Napolitano
im hohen Alter von 98 Jahren in Rom gestorben.

Geboren ist er 1925 in Neapel, dessen Wahlkreis er zeitlebens vertreten hatte. Gestorben ist er mit dem noblen Titel eines Senators auf Lebenszeit, nachdem er zweimal italienischer Staatspräsident war. 

Zu seinem Staatsbegräbnis mit dem gewünschten nicht-religiösen Zeremoniell kamen auch Macron und Steinmeier, sogar der Papst erwies ihm, zum ersten Mal im Saal des italienischen Senats, die letzte Ehre.

Die ‚Räterepublik‘ der Beiräte 

Rat ist gefragt, Beiräte auch. Wie Pilze schießen sie aus dem Boden, vor allem auf kommunaler Ebene, aber auch anderswo. Was die eine Stadt hat, muss die andere auch haben. Das gehört mittlerweile zum Stadtmarketing. Beratung ist freilich immer gut, Beratungsresistenz fast immer schlecht, denn Beratung ist ein Prozess, in dem Ansichten und Argumente ausgetauscht werden und somit Lernprozesse stattfinden können.

Die Rüstungskontrolle ist mausetot 

„Die Tore zur Hölle hat sich die Menschheit selbst gebaut. Der Einsatz nur eines Teils der derzeit existierenden mehr als 12 000 Kernwaffen würde reichen, menschliche Existenz weitgehend zu vernichten…“ (so Oliver Thränert, Center for Security Studies der ETH Zürich, in: NZZ, 26.8.2023, S.17). 

In den USA wurde die Rüstungskontrolle in den Formen bilateraler und multilateraler Diplomatie erfunden, um dieses ‚Ende der Geschichte‘ zu verhindern. Sie ist aktuell in großer Gefahr (siehe auch Wolfgang Richter, SWP aktuell, 7.5.2020). In den 70er, 80er und 90er Jahren war Abrüstung noch ein gängiges und kontinuierliches Prüfungsthema in der internationalen Politik (an der Universität Potsdam Wolfgang Kötter).

Welcher Konsens trägt noch?

Diese Frage kann man sich überall stellen, in jedem Land und jeder Region und zu allen Zeiten. Kon-sensus (lateinisch), wörtlich: man/frau stimmen zusammen, stimmen überein, was weniger (das heißt: arationaler) oder mehr (das heißt: stärker) sein kann als ein rationaler Konsens.

Das kann selbstverständlich Common sense (sensus communis, senso commune, sens commun oder Gemeinsinn) werden oder umstritten sein und umstritten bleiben. Oft ist es ein faktischer Mehrheitskonsens, allerdings ein deutlicher und erheblicher, und nicht nur ein knappes (möglicherweise sogar umstrittenes) Abstimmungsergebnis, das ebenfalls den Ausschlag geben kann (siehe Al Gore vs. Bush Junior 2000).

Der Kampf um eine neue Weltordnung 

Die einfachste Einteilung der Welt ist immer noch die nach Himmelsrichtungen: der Osten, der Süden, der Westen und der Norden. Es ist auch diejenige, mit der man die Welt am wenigsten zur Kenntnis nehmen muss – in ihrer vielfältigen Geographie, Geschichte und politischen Selbstwahrnehmung. Die Zäsur der europäischen Revolutionen von 1989 hatte da schon Einiges verändert, aber nur für Europa und das auch nur selektiv. Europa ist aber nicht die Welt, je länger je weniger.

Waffenstillstand oder Frieden 

US-Dienste halten Mitte/Ende August den Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive für unwahrscheinlich (Zeit online, 19.8.). Der Herbst und damit die ‚Schlammperiode‘ rücken näher, der Erfolgsdruck von außen wird größer, und die militärische Situation, die zu entscheiden ist, wird definitiv schwieriger. 

Die USA haben der Freigabe von F16-Kampfflugzeugen aus Dänemark und der Niederlande zugestimmt (18.8). Die Ausbildung von Piloten und Technikern wird jedoch vor 2024 nicht abgeschlossen sein. Die Lieferung von schweren Abrams-Panzern wird ebenfalls in Aussicht gestellt. Die ‚Washington Post‘ indessen relativiert, dass die Ziele der Offensive bis Ende Sommer nach Melitopol und ans Asowsche Meer vorstoßen zu können, wohl nicht erreicht werden können.

Politische Philosophie mit Realitätssinn und pragmatischer Vernunft

Was heißt ‚Realitätssinn‘, wenn wir nicht wissen, auf welche Realität wir uns beziehen sollen? Realität erscheint subjektiv als das Allereinfachste – jeder beruft sich darauf -, aber objektiv als das Komplexeste, Facettenreichste, je nachdem aus welcher Sicht davon die Rede ist. Wie beziehen wir uns also auf die Welt? Bei den folgenden Überlegungen soll ’nur‘ die politische Welt der Staaten und ihr gegenwärtiger Kampf um die Weltordnung im Vordergrund stehen.

Fortschritte, aber kein Durchbruch

Eine ungewöhnlich lange (mehr als 1000 Kilometer) unheimliche Frontlinie in den annektierten Gebieten, die mit Minenfeldern, Panzersperren und Schützengräben vorbereitet werden konnte, lässt die am 4. Juni angekündigte ukrainische Großoffensive langsam vorankommen. 

Angriffe erfordern zudem im Unterschied zur Verteidigung immer ein Überlegenheitsverhältnis bei der Zahl der Soldaten, die in mehr als Kurzlehrgängen ausgebildet sein müssen, um in größeren Verbänden koordiniert kämpfen zu können. Dazu kommt , vielleicht als größtes Handicap, die fehlende Luftüberlegenheit.